Heft 
(1902) 11
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2. (1. ausserordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

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plateaus zu einer herrlichen Promenade umgeschaffen, welche mit ihren Bosijuets, Grotten und Wasserkünsten einen Lieblingsaufenthalt der Frankfurter bildet. Auf einem hochgelegenen Punkte inmitten der An­lagen ist ein kleines Denkmal aus Findlingsblöcken errichtet, welches das Andenken des Schöpfers dieses lieblichen Spaziergangs ehrt.

In der Nähe der Anlagen, im Gesellschaftshaus, wurde das Früh­stück eingenommen, bei welcher Gelegenheit der Vorsitzende des histori­schen Vereins zu Frankfurt, Prof. Dr. Gurnik die Mitglieder der Brandenburgs begrüsste und Kreisbauinspektor Förster einen ein­leitenden Vortrag zur Besichtigung der Marienkirche hielt.

Nach dem Frühstück wurde der Spaziergang durch die Anlagen fortgesetzt und von dem obenerwähnten Denkstein ein Anblick über die Stadt genossen. Von dieser Anhöhe eröffnet sich ein sehr hübscher Überblick über das alte Frankfurt mit seinen altersgrauen Kirchen und Giebelhäusern. Auf dem linken tiefgelegeneu Oderufer zwischen der Logen- und Magazinstrasse dehnt sich ein Stückchen mittelalter­lichen Frankfurts aus. Finge Strassen mit hohen Kaufhäusern, deren gezackte Giebel vielfach der Strasse zugekehrt sind und teilweise die Architektur des 10. Jahrhunderts aufweisen, ziehen sich parallel mit dem Flusse hin und werden von ebenso engen Gassen rechtwinklig durch­schnitten, so dass die ganze Altstadt so ziemlich die Form eines Recht­ecks erhält, dessen Mitte der Marktplatz mit der altehrwürdigen Marien­kirche und dem eigenartig ausgestatteten Rathause einnimmt. Haupt­sächlich zieht der mächtige, dunkelgebräunte Backsteinbau der Marien­oder Oberkirche mit dem kräftig emporragenden Turm das Auge des Besuchers auf sich. Dieses ehrwürdige Gotteshaus wurde von den Teilnehmern der Wanderfahrt nunmehr besichtigt. Obwohl die Kirche durch zwei in den Markt hineingebaute Iläusergruppen auf der nörd­lichen Seite völlig verdeckt ist, kann man doch an den über die Dächer hervorragenden oberen Teilen dieses stattlichen Bauwerks seine gewaltige Grösse erkennen. Diese kommt indes erst zur vollen Entfaltung, wenn man das Kirchengebäudo von der freiliegenden südlichen Seite betrachtet. Zwar beeinträchtigt das Fehlen des südlichen Turmes derselbe stürzte am 15. Mai 1826 zusammen anfangs den Gesamteindruck des Ganzen, aber die kraftvollen Strebepfeiler, die hohen Spitzbogenfenster, die über dem Gesimse des Langhauses errichteten, gotisch verzierten Stützwände für die Pultdächer der Seitenschiffe und der über diesen emporstrebende Turm mit seinem Zinnenkränze und seiner pyramidenförmigen Spitze geben dem Gotteshause trotz seiner einfachen äusseren Ausstattung ein imponierendes Aussehen. Betritt man aber erst das Innere des Baues, so ist man erstaunt über die bedeutenden Höhen- und Breitenverhältnisse dieser gewaltigen fünfschiffigen Hallenkirche, welche trotz der weissen Tünche im Schmucke ihrer Kreuz- und Sterngewölbe, ihrer verschieden-

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