Heft 
(1902) 11
Seite
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132 2. (1. ausserordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

artig profilierten Arkadenpfeiler und ihrer prächtigen Chorfenster einen feierlichen, überwältigenden Eindruck hervorruft. Zahlreiche Kunstwerke, unter ihnen der Hochaltar von Pistoricci (1419), der siebenarmigo Leuchter und das mächtige Taufbecken von Meister Arnold und viele alte Votivgemälde dienen dazu, um dem Innern eine würdige Aus­schmückung zu verleihen.

Die Kirche wurde unter Führung des Herrn Kreisbauinspektor Förster in allen Teilen genau besichtigt, ebenso die angebauten Kapellen und die Sakristei, in deren Nebenräumen die alte Bibliothek von St. Marien untergebracht ist. Die Bibliothek, die viele interessante Drucke enthält, verdiente einen anderen Standort, da die Bücher in den feuchten Räumen allmählich ganz und gar verderben.

Von der Oberkirche begab man sich zum Rathaus, das sich nörd­lich auf dem Marktplatze erhebt. Das altertümliche Gebäude zeigt in seiner Architektur ein eigenartiges Gemisch von Gotik und Renaissance, da der ursprünglich gotische Bau aus dem 15. Jahrhundert in den Jahren 1607 bis 1610 von Taddeo Paglione im Geschinacke seiner Zeit umgebaut und restauriert wurde. Die hochstrebenden Giebel auf beiden Seiten, welche ehemals reich mit gotischem Masswerk, Rosetten und Spitzbogen verziert waren, sowie die gewölbten Kellerräume und die von gedrungenen Säulen getragene, ebenfalls schön gewölbte Halle im Untergeschoss rühren nocli von dem alten Bau her, die obere Partie des Gebäudes, der Sitzungssaal, die das Dach abschliessenden Teile der Giebel, sowie der quadratische, von einer welschen Haube gekrönte Turm sind Schöpfungen des italienischen Meisters. Auf der Spitze des südlichen Giebels, der neuerdings von dem alten Putz befreit ist und die alte, allerdings sehr beschädigte Backsteinornamentik zeigt, erhebt sich noch heute ein Rudiment des alten Hansazeichens: auf senkrechter Stütze zwei eiserne Stangen, eine durch die andere gestossen, einst an den vier Enden mit Ringen versehen und überragt von dem auf der Spitze befindlichen vergoldeten Fischschwanz.

In der unteren gewölbten Halle des Rathauses war zur Zeit unseres Besuches eine vom Frankfurter Kunstverein veranstaltete Kunstaus­stellung untergebracht, die sich aus Kunstwerken und Kunstgegen­ständen zusammensetzte, die Eigentum von Frankfurter Bürgern und Besitzern aus der näheren Umgegend der Stadt sind. Die grosse Halle war in einzelne Kojen geteilt, in denen nach der Zeit geordnet Gemälde, Statuen, Skulpturen, Erzeugnisse des Kunstgewerbes u s. w. aufgestellt waren. Im ersten Raum waren die ältesten Sachen untergebracht: Schmuckkästchen in gotischen Formen, Epitaphien des 17. Jahrhunderts, Möbel, Krüge, Gläser und Truhen des 17. und 18. Jahrhunderts, der nächste Raum zeigte Kunstgegenstände aus der Zeit Friedrichs des Grossen: Gemälde von Pesne, Watteau u. Tischbein, Meissner Porzellane