Issue 
(1902) 11
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164 4. (2. ausserordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

im grossen Saale des Hotels Burg Friesack gedeckt worden. Bei Tisch brachte Herr Bürgermeister Tiemann das Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus und Herr Geheimrat Friedei dankte für den freundlichen Empfang und forderte die Brandenburgs auf ein Hoch auf die Stadt Friesack auszubringen. Ein Teil der Teilnehmer kehrte schon mit dem ersten Zug nach Berlin zurück.

Der Ausflug nach Friesack reiht sich würdig den vorhergegangenen an und wird allen Teilnehmern in dankbarer Erinnerung bleiben.

Vortrag des Professors Dr. Bardey über die Geschichte von Stadt und Ländchen Friesack mit einem Ausblick auf die Zeit der Quitzows, gehalten am Fusse des Hohenzollerudenkmals beim Besuch der Branden­burgs in Friesack am 25. Mai 1902.

Sehr geehrte Anwesende! Wenn wir vor dreitausend Jahren die Fahrt durch das Luch und den Zotzen, die wir soeben beendet haben, hätten machen wollen, so wäre das nicht möglich gewesen; denn damals stand die weite, jetzt grüne, wald- und wiesenreiche Ebene dauernd unter Wasser. Das hügelreiche Ländchen Friesack, das wir in dieser Minute bergansteigend betreten haben, erhob sicli einstmals als eine wirkliche Insel über die weiten Wasserflächen, die in urgrauer Vorzeit alle um­liegenden Niederungen ständig bedeckten. Die beiden langgestreckten, mannigfach verzweigten Thalniederungen des Rhin- und des havelländi­schen Luches, in denen sich jetzt zahlreiche Ortschaften, fruchtbare Äcker und grasreiche Wiesen befinden, haben einstmals dauernd unter Wasser gestanden und haben Flussbetten gebildet. Die Geologen be­weisen zum Erstaunen des Laien, dass die Oder ihre Wellen durch das havelländische, die Weichsel die ihrigen durch das Rhinluch sandte, und dass beide Ströme gerade ringsum das Ländchen Friesack ihre brüder­liche Vereinigung mit dem Elbstrom als dem Dritten im Bunde feierten. Man spricht von einem norddeutschen Urstrome, der, bevor die genannten Ströme sich ihre jetzigen Mündungen bahnten, südlich des baltischen Landrückens von der Weichsel durch die Brahe, Netze und Warthe in die Oder und von dieser durch das Thal des Finowkanals zur Havel und dann durchs Rhinluch ging, bis er nördlich von Friesack einen zweiten etwas südlicher fliessenden Strom aufnahm, welcher, die Oder fortsetzend, durch das Thal des Müllroser Kanals, die Spree und das havelländische Luch floss. Im Verein mit den Elbwassern, welche von Burg, Genthin und Rathenow herkamen, zog der grosse Strom dann weiter nach Westen, um sich entweder durch die jetzige Elbmündung, oder, wie andere meinen, gar erst durch die Wesermündung ins Meer zu ergiessen.