Ewald Malier, Walpurgis im Spreewalde.
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sämtliche Hirsche, die recht zahlreich waren, auf seinem Gehöfte erscheinen zu lassen. Als ein anderer Spreewälder, der schon zu den Gläubigen gehören wollte, mich bei gedachter Mitteilung fragte, ob das zu glauben wäre, und ich ihm darauf erwiderte, dass sich alles, selbst das Unsinnigste, glauben lasse, erfuhr ich von diesem Manne und den andern keine dieser grossen Wunderwerke der Wenden mehr; denn eine Verherrlichung des Wendenvolkes sollte diese Mitteilung sein.
Selten freilich sind es die „Hexenmeister“, die auf solche Weise von sich reden machen. Den grössten Einfluss auf Menschen und Vieh besitzen vielmehr die Hexen. Die Wenden denken sich die Hexe, die von ihnen chödota, auch sla zöna, das böse Weib, genannt wird, als runzelige Frau mit hässlichem Gesicht, zusammengewachsenen Augenbrauen, triefenden Augen, gekrümmtem Rücken und geschwollenen Beinen. An einem Stocke oder einer Krücke schleicht sie umher, und der böse Blick aus ihren Augen bringt Krankheiten bei Menschen und Vieh zuwege. Das behexte Vieh giebt entweder nur wenig oder gar keine Milch, oftmals sogar Blut statt derselben. Beim Bezaubern müssen die Hexen an das bestimmte Vieh denken oder den Namen seines Besitzers nennen. Sie bewirken Viehseuchen und von ihrem Zauber „fällt“ das Vieh. Es hat dann den „Hexenschuss“ erhalten; denn im Herzen oder in der Leber will man drei kleine Löcher, wie von Schrotkörnern herrührend, gefunden haben. Aus einem Stücke IIolz, einem Besenstiel, einem Strick, einem Nagel, einem Handtuch können sie melken und den Kühen der Nachbarn die Milch entziehen. Wenn sie ein Milcli- gefäss anfassen, so wird die Milch mager und ungesund, und wenn sie ein Butterfass berühren, so giebt es keine Butter. Sie behexen besonders gern die kleinen Kinder, dass diese nicht gedeihen, bringen Wechselbälge und fügen dem Menschen überhaupt mancherlei Schaden zu. Sie behexen auch bestimmte Orte, die demjenigen, der sie betritt, Krankheiten und anderes Unglück bringen. Besonders gefährdet ist die Schwelle an der llausthür. Daher müssen Neuvermählte über einen Besen und eine Axt, die kreuzweis gelegt sind, in das neue Heim hineinschreiten. Das müssen auch die Paten thun, welche mit dem Täufling durch die Thür gehen. Dieser Brauch findet ferner Anwendung, wenn gekauftes Vieh über die Schwelle in den Stall geführt oder wenn dasselbe im Frühjahr zum ersten Male auf die Weide getrieben wird. Denn der Besen, das eigene Wahrzeichen der Hexen, ist zugleich eine Schutzwehr gegen dieselben. Daher waren auch die am Walpurgistage aufgerichteten Maibäume ursprünglich grüne, nach obengerichtete Besen, und oft erblickt man noch jetzt einen Besen an der Spitze der Stange befestigt.
Die grösste Macht besitzen die Hexen zu W alpurg is, besonders in der Nacht zum ersten Mai. Sie erscheinen dann in verschiedenen Gestalten, als Katze, Hund, dreibeiniger Hase, Maus, Gans, Elster oder