Ewald Müller, Walpurgis im Spreewalde.
185
für angehext gelten, so werden von den vermeintlich Kundigen gewöhnlich bestimmte Personen, nicht selten nahe Anverwandte, als Hexen namhaft gemacht. Um nun die Hexe zu entdecken, wendet man sich an „kluge Männer“ oder „kluge Frauen“. Bestimmte Berufsarten stehen in dem besonderen Kufe, „weise“ Leute unter sich zu haben, so die Schäfer, die Schmiede, die Jäger und die Hebeammen. Das Vertrauen auf die Weisheit dieser Leute wurzelt nicht nur fest bei dem ungebildeten Volke, sondern steigt oft in Kreise hinauf, wo man es nicht vermuten sollte. Bei der Hexenbeschwörung zwingt der Beschwörer die Hexe durch Zaubersprüche und Zeichen zu erscheinen, sie mag sich auch noch so sehr sträuben. Ist sie endlich zugegen, so entspinnt sich zwischen beiden ein Kampf, wobei die entgegengesetzten geheimen Kräfte einander zu bezwingen bestrebt sind. Gelingt es schliesslich dem „klugen Manne“, die Hexe zu überwinden, so ist er von der Anstrengung und Aufregung völlig erschöpft; unterliegt er aber, so verfällt er selbst in Krankheit, und die Hexe übt fortan nur noch grössere Gewalt aus. Es möge ein derartiger Fall aus einem Dorfe des südöstlichen Oberspreewaldes hier seinen Platz finden.
Als die Kühe des Bauers N. plötzlich keine Milch mehr gaben, konnte man sich das nicht anders erklären, als dass sie behext sein müssten. Man machte schliesslich einen „klugen Mann“ ausfindig, der sich nach langem, eindringlichem Zureden bewegen liess, die Hexe herbeizuschaffen. Er begab sich in den Stall und führte über dem Vieh die verschiedenartigsten Zeichen aus, indem er dabei Zaubersprüche hersagte und auch den Atem hinblies. Da erschien, offenbar mit Widerstreben, auf dem Hofe eine Frau aus dem Dorfe, die allgemein als Viehhexe galt. Sie sah sich scheu um und blickte dann, ohne ein Wort hervorbringen zu können, starr in den offenen Stall auf den klugen Mann, indem sie mit den Füssen ängstlich hin- und hertrat. Darauf eilte sie schweigend wieder fort. — Die Worte der Besprechungs- und Beschwörungsformeln sind nicht ein freier Ausdruck des bewussten Willens, sondern feststellende, überkommene, von den Zaubernden selbst meist unverstandene Formeln; denn oft sind dieselben ganz sinnlos. Sie erheben sich nicht zu einem wirklichen Gebete, bitten nicht, sondern befehlen. Um die Unsinnigkeit ihres Inhalts zu verdecken, werden sie selten laut und deutlich, wohl aber leise und geheimnisvoll gesprochen.
Aber nicht nur zum Ausfindigmachen der Hexen bedient man sich der klugen Leute; sie stehen bei den Wenden in Krankheitsfällen sogar in höherem Ansehen als die Ärzte. Ist doch die Ursache für fast jede Krankheit in der Hexerei zu suchen. Was sollte ein Arzt auch für Heilmittel dagegen anwenden wollen! — Der kluge Mann oder die kluge Frau hingegen „verspricht“ einfach die Krankheit. Nicht selten werden die Unterkleider der erkrankten Person zu der klugen Frau getragen,