232 Prof. Dr. E. Bardey, Die Franzosen im Havellande von 180(5 bis 1808.
erschrocken zitterten und weinten und Feuersgefahr besorgten, sprachen die Offiziere, sie beruhigend und tröstend: „O wein nicht, schiess nur daub!“ Ja, als sie schon wieder zu Pferde gestiegen waren, Hessen sie sich durch ihre Bitten bewegen, wieder abzusitzen und noch | Stunde zu unserm Schutz zu bleiben. Dies ihr artiges Betragen, welch einen Kontrast macht das gegen die Briiskerie vieler unter den Offizieren unserer Armee?!
Den ganzen Nachmittag strömten die Feinde, als wenn es eine lleerstrasse gewesen wäre, über den Kirchhof, Pfarrhof und Garten zu Fuss und Ross mit ihren Bajonetten, mit Brot und Lebensmitteln gespickt, und viele von ihnen, vor meinen Fenstern vorbeipassierend, nahmen einen ihnen dargereichten kühlen Trunk und Brotrinden dankbar an. So näherte sich allmählich der Abend. In meinem Hause waren alle Tlniren, Spind en, Kisten und Kasten offen. Die Stube selbst war mit Stroh, Papieren, Knochen, Scherben, verschüttetem Bier und Wasser angefüllt, die Tische garniert mit leeren Kruken, Weinbojateillen und Branntweinsgläsern und Krumen von Brot und Sepnnel. Ein paar gerettete Brote, etwas Bier und Ertoffe ln waren der Lebensvorrat, den man klüglich verleugnen musste. Im Dorfe machten nun die Traineurs der Armee bonnes chairs, und da sie keinen Wein hier fanden, w'onach sie so begierig waren wie ein Kind nach der Muttermilch, so holten sie ihn aus Bagow aus den adligen Kellern. Um ß Uhr abends fuhren drei Leiterwagen, mit allerlei Tüchern beladen, welche die Kaufmannschaft in Brandenburg hatte zusammenbringen müssen, unter Bedeckung von 1 Offizier und ß Mann auf meinen Hof und machten Quartier. Die Tücher wurden in meiner kleinen Stube abgeladen, und ein mitgebrachter halber Hammel in Zeit einer halben Stunde zum roti und bouillon fertig gefeuert und verspeist. Ich und die Meinen hatten die Ehre, zur Tafel gezogen zu werden, allein es blieb uns allen in der Kehle stecken. Denn bei den Ängsten und Schrecken der Seele, den Strapazen des Leibes und der sonderbaren Empfindung, vom Feinde gespeist zu werden, verging aller Appetit zu rohem Fleisch, so gross auch der Hunger war.
Nach dem Essen legte sich der Offizier in das ihm aufgedrungene Bett meiner Frau, nahe bei seinen Tüchern, die er wie ein Argus hütete, die Soldaten aber auf eine Streu, und zu ihren Füssen sassen zwei Weiber, die sich aus dem Dorfe zu mir retiriert hatten. So gingen wir denn um neun Uhr zu Bette und wollten der höchst nötigen Ruhe pflegen, aber wie wäre das bei Befürchtung einer Feuersgefahr möglich gewiesen! Denn in der R eismie te beim Eingang des Dorfes wurde bi- vouacjuiert, d. h. gebraten, gekocht und übernachtet. So lagen wir mit unausgezogenen Kleidern, die mit Geldrollen gespickt waren und hörten den unaufhörlichen Lärm im Dorfe. Um 10 Uhr schallte plötzlich die