Heft 
(1902) 11
Seite
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Prof. Dr. E. Bardey, Die Franzosen im Havellande von 1806 bis 1808. 235

machte; aber schlafen, wer konnte das bei so bewandten Umständen? Bloss die morschen Glieder ruhten.

Am 28. Oktober zog die Raubbaude ab, ohne das mindeste mitzu­nehmen; das waren die Folgen der Gnade, die ich in den Augen der Madame la Wagenmaitre gefunden! Sie beschenkte mich sogar mit Kaffee und Fleisch und der übrig gebliebenen Suppe. Die Gäste in der oberen Stube, die aus Bescheidenheit nur in einem Bette geschlafen, ob­gleich mehrere da waren, zogen ebenfalls in aller Stille unter vielen Danksagungen weiter. Die Dorfschönen gingen in die Lötz ein Wiesen­bruch, melkten die Kühe und brachten die Milch als ein allgemeines Depot in die Pfarre.

Das erste Geschäft des Tages war, das Feuer in der Reismiete zu löschen. Ich ging in alle Häuser, besah die Gräuel der Verwüstung und Plünderung, tröstete und sprach Mut ein. Die Flüchtlinge kamen wieder ins Dorf und in die Pfarre, da sie hörten, dass Papa noch lebe und sein Haus die Arche Noäli gewesen. Nun gab ich ihnen ein grosses Gastmahl, einen grand Kaffee mit Syrup und der ins Depot gebrachten Milch. 0 wie herrlich ihnen der Kaffee schmeckte! Wie sie die er­wärmten Bäuche strichen! Des Mittags war bei mir grosse Tafel; Mehl­suppe, reich an Milch und Hirse, wurde den Geringeren, eine Bouillon von der übriggebliebenen Franzosensuppe, wozu noch ein Stück Hammel- tleisch kam, nebst Hirse, denen von Distinktion, und zum Nachessen (i Metzen Pellkartoffeln aufgetragen und nun einmal wieder Bier ge­trunken. So sind, wie Sanclio Pansa sagt, alle Übel, wenn man dabei nur Brot zu essen hat, wohl zu ertragen. Nun kehrte alles aus der Pfarre mit herzlichem Dank in die Häuser zurück und fing au aufzu­räumen, zu reinigen, zusammenzusuchen, aufzurichten, was bei der Plün­derung an die Erde geworfen, zerschlagen und zertreten und unter einander gemischt war, und freute sich dessen, was man noch gut und unbeschädigt fand. Bei der Plünderung hatte der Krüger am meisten gelitten, dessen Verlust weit über 1000 Thaler betrug. Er war der erste, der sein an der Landstrasse liegendes Haus verlassen musste, und der letzte, der es wieder bezog. Ich nahm seine unglückliche Familie, die durch die Dorfdiebereien vollends ausgeplündert worden war, mit den übrigen Sachen, die ich und die Meinigen zumteil gerettet hatten, in mein Haus und beherbergte sie 14 Tage lang, da die Frauensleute es nicht wagten, in ihrem Hause zu schlafen, weil immer noch einzelne Trupps der Armee nachfolgten und viele Exzesse verübten.

Damit nun die Einwohner sich dagegen schützen möchten, wurden Wächter am Eingang des Dorfes postiert, die bei Annäherung einzelner Haufen ins Hirtenhorn stiessen, auf welches Signal die Bauern bewaffnet zusammentraten und die Plünderer abwiesen.

Ich kann Gottes Erbarmen nicht genug preisen, dass er mich unter