Heft 
(1902) 11
Seite
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242 Prof. Dr E. Barcley, Die Franzosen im Havellande von 1800 bis 1808.

legte man ihnen nach Belieben noch mehrere Mannschaften als eine Art der Exekution ein. Solche Exekutionen waren häufig. Tabak, Pfeifen, Karten, Papier, Messer und Gabeln, freie Wäsche, Bezahlen der Schmiede, Schneider, Schuster, Arbeit in der Nähterei, köstliche Verpflegung ihrer vielen fleischfressenden Hunde und ausgezeichnete Behandlung ihrer Maitressen und Weiber, das alles waren lauter Wespen- und Skorpionen- sticlie.

Die Nachwelt wird es sich nicht denken können, dass diese Nation, die auf ein feines Menschengefühl, Sittlichkeit und eine edle Gesinnungs- nnd Handlungsart die ersten Ansprüche macht, gleichwohl unter ihren hohen und niedrigen Offizieren zuinteil Leute.hat aufstellen können, die nach geschlossenem Frieden die Einwohner des Landes, deren Gäste, nicht Feinde, sie waren, mit einer so gänzlichen Verleugnung der Menschheit und zermalmenden Äusserung ihrer überall geltend gemachten Snperiorität behandelten. Ihre Hof- und Siegesfeste feierten die sauberen Gäste in ihren Standquartieren mit grossen Banketten, feinen Weinen, Likören, Konditoreien und Bällen, wobei sie dann noch trunken Gläser und Geschirre zu zertrümmern pflegten. Die Dorfgemeinden aber und die Barons diesen Titel gaben sie den Adligen zur Schadloshaltung mussten den unsinnigen Aufwand ihrer lukullischen Feste oft mit 2 bis 400 Thalern bezahlen.

Das ist denn doch wohl, es sei mir erlaubt, nach Art der Fran­zosen ein Neologon zu machen, ein wahrer Kannibalismus, ein Wort, das die Sache in ihrem ganzen und wahren Umfange panoramisch schildert. Und was wird die Nachwelt dazu sagen? Dass Leute, die in Polen unter freiem Himmel im Schnee sich betten mussten und sich um eine zum höchsten Glück in der Erde gefundene Ertoffel wie heiss - hungrigo Wölfe beneideten und schlugen, dass, sage ich, diese Leute in unserer holzarmen Gegend Badestuben machten, die Fenster aufsperrten, die Atmosphäre erhitzten, in Unterkleidern herumspazierten und chanso- nierten, ein jeder in eigenem Bette schliefen und wie im Schlaraffen- Iande schmauseten.

Nicht weniger trug zum Ruin des Landes bei die Stellung von Wagen, Pferden und Boten, um die Herren zu ihren Lustpartieen nach Städten und Dörfern zu fahren, Wein, Rum, Wildpret und Konditor­sachen und öfters wahre Bagatellen zu holen, wenn es sich auch mir um Schnupftabak, ein Spiel Karten oder ein paar Bogen Papier han­delte, oder wenn es galt, ihre Dienstordres und Liebesbriefe und Weiber im Lande herumzuschicken und einen jeden einzelnen Mann zu fahren. Die Landstrassen wimmelten bei Tage und Nacht von Wagen und Boten zu Ross und zu Fass, und zuletzt war auf dem platten Lande keine gangbare Kutsche, Chaise oder Kalesche mehr zu finden.