Heft 
(1902) 11
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6. (4. ausserordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

Wir geben aber trotz alledem die Hoffnung nicht auf, dass ein gütiges Geschick unsere Zukunft bessern möge. St.-Tz.

Nach der Beendigung des Vortrags begab sich die Gesellschaft zu den in der Nähe befindlichen Nieplitzquellen und setzte dann, teils zu Wagen, teils zu Fuss, die Wanderung durch das schöne Waldrevier fort. Man berührte verschiedene von den Zinnaer Mönchen angelegte Mühlen, die jetzt verfallen sind, ferner die sogenannte Forellenmühle und denBöllerich, ein mit Unterholz bestandenes Sumpfgebiet, und ge­langte dann auf der Chaussee zum Leipziger Thor von Treuenbrietzen. Von dem Thorbau ist nichts mehr erhalten, aber ein Teil der alten Stadtmauer erhebt sich noch seitwärts von jener Stelle und bildet im Verein mit den Anlagen, die auf dem ehemaligen Walle angepflanzt sind, eine hübsche Zierde der Stadt. In den Anlagen, wo zwischen Stadtmauer und Wallgraben auch der alte verfallene Judenkirchhof liegt, wurde das Denkmal des Komponisten Friedrich Heinrich Himmel, der in Treuenbrietzen am 20. November 1765 geboren wurde*), und das Kriegerdenkmal besichtigt. Nach dem Rundgange durch die Anlagen am Jüterboger Thor wurde das Mittagessen eingenommen, wobei Postrat Steinhardt im Namen des Magistrats die Mitglieder derBranden- burgia begrüsste und ein Hoch auf den Landesherrn ausbrachte. Ge­heimrat Friedei dankte im Namen derBrandenburgs und toastete auf die Stadt Treuenbrietzen; Dr. Reichhelm feierte die Damen.

Nach dem Mittagsessen wurde die Besichtigung der Stadt fortgesetzt. Zunächst besuchte man die Nikolaikirche, einen aus dem 16. Jahr­hundert stammenden Backsteinban, der durch verschiedene Anbauten ein ziemlich sonderbares Aussehen erhalten hat. Die Kirche ist eine kreuz­förmige, gewölbte Pfeilerbasilika, die im Übergangsstil von der roma­nischen zur gotischen Bauart aufgeführt und dementsprechend mit Rundbogenfriesen und Spitzbogenblenden und frühgotischem Masswerk ausgestattet ist. Der über der Vierung errichtete Backsteinturm mit Pyramidendach macht einen sehr massigen Eindruck, und es wäre zu wünschen, dass das alte interessante Bauwerk einer gründlichen, kunst- gemässen Restauration unterzogen würde. Bemerkenswert sind die in den Rundstäben des Westeingangs hier und da eingeritzten Masken, die wohl ohne bestimmte Bedeutung sind, höchstens dämonische Wesen darstellen könnten. Ähnliche Masken finden sich in grösserer Gestalt und als gebrannte Formsteine beispielsweise an den Kirchen zu Beelitz und Pritzwalk vor, in ersterem Falle sollen sie zwei Juden, die die Hostie verspottet haben, in letzterem wendische Dämonen darstellen; auch als Konsolsteine treten solche Masken auf. Die an der Südseite der Nikolaikirche angebaute Sakristei aus dem Jahre 1519 enthält zwei

*) Über Himmel vgl. Bär XX S. 5, wo auch eine Abbildung seines Denkmals.