Heft 
(1902) 11
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8. (3; ordentliche") Versammlung des XI. Vereinejahres-

selbst, dass wir heut Abend nur der Beziehungen, welche er zu unsern Arbeitsfeldern hatte, gedenken können, und auch dazu reicht unsere knapp bemessene Zeit nur sehr unvollkommen hin. in der Alter­tumskunde hat er die Spuren des altsteinzeitlichen Menschen zwar nicht geleugnet, sich aber den Skelettresten desselben gegenüber, gleich seinem vorverstorbenen Kollegen Japetus Steenstrup, äusserst skeptisch verhalten. In dem Kampf um den berühmten Neanderthal- scliädel, der sich bis in die neueste Zeit und bis in die letzten zwei Versammlungen der deutschen Anthropologen hingezogen hat, scheint R. Virchow nunmehr endgültig unterlegen zu sein. Wenn der Neander- thalmensch auch einzelne pathologische Erscheinungen aufweisen mag, repräsentiert er doch einen Rassetypus, der von dem des jüngeren Stein- zeitmenschen durch Ferozität erheblich abweicht und allmählich seine Bestätigung durch mehrfache parallele Funde aus verschiedenen ausser- deutschen Landen Europas erhalten hat. Gegenwärtig vereinigt man unter der Bezeichnung ilomo primigenius Schwalbe (vgl. Schwalbe: Neanderthalschädel und Friesenschädel. Globus Bd. 81. Nr. 11) die Skelettreste der Funde von Neanderthal, Spy und Krapina. Das ist der älteste europäische Mensch. Ob er als besondere Species oder nur als yarietas primigenia aufzufassen ist, wird verschieden beurteilt. Es kommt dann zeitlich die Rasse von Cro-Magnon im Vezöretlial nicht weit von der Station Eyzies i. J. 186U entdeckt (vgl. A. de Quatre- f'ages. Das Menschengeschlecht. Lpz. 1878. I. S. 176, II 29 flg.), von Ludwig Wilser Homo priSus genannt, dem jüngeren Diluvium zugehörig, also noch immer "von dem jetzigen Menschen Homo sapiens (hodiernus) Linne geologisch getrennt, diesem aber weit' ähnlicher, als der dem älteren Diluvium zuzuteilende Homo primigenius.

Auch bei der Würdigung des Pithecanthropus erectus Dubois, der vor einigen Jahren im Tertiär von Java aufgefunden, gerechtes wissenschaftliches Aufsehen erregte, hat Virchow seinen ruhigen skep­tischen Standpunkt gewahrt, indem er im Gegensatz zu mehreren Forschern darin nicht einen Ahnherrn oder Vorläufer des Menschengeschlechts, sondern lediglich einen höher organisierten Affen, einen palaeontologischen Verwandten des langarmigen Hylobates Lar, des Gibbon, erkannte.

Ich gehe zur Praehistorie über. Für die Provinz Brandenburg ist Vircliöws Abgrenzung des Typs der von ihm sogen. Niederlausitzer Brandgräberfelder von grösster diagnostischer Wichtigkeit geworden. Diese Brandgräberfelder, die später zu lausitzer Brandgräberfeldern im allgemeinen, von mir zu ostdeutschen Gräberfeldern erweitert worden sind, ziehen sich von der östlichen sarmatischeri Tiefebene bis auf das linke Oderufer) und von der Ostsee bis zu denböhmischen, mährischen und schlesischen Gebirgen mit einer auffallend überein­stimmenden Kultur, die ganze Bronzezeit umfassend, aber nach rück-