S. (3. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.
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wart* gelegentlich mit steinzeitlichen, nach vorwärts nicht selten mit eisenzeitlichen Anklängen. Neuerdings hat unser Mitglied, Professor Kossinna hiervon eine Abteilung, die von ihm sogenannte karpo- dakische Gruppe abgegrenzt.
Ebenso scharfsinnig sind die Ergebnisse Virchows auf dem Gebiete der Wendenforschung. Er hat zuerst die Pfahlbauten und Burgwälle genau studiert und skizziert, und gezeigt, wie neben einzelnen vorslavischen Beispielen dieser Art, die grosse Menge in die rein wendische Zeit gehört und mit derselben in der Regel verlassen wird*). Die slavische Herkunft dieser Altertumsreste hat Virchow namentlich durch die Thongefässe und blosse Scherben davon, mit ihrer Henkellosigkeit und ihrer — im Gegensatz zu der herben, schlichten Stilisierung der germanischen Gefässe — unruhigen Ornamentik erwiesen.
Er hat gezeigt, wie die Wenden ganz vorzugsweise ihre Leichname unverbrannt bestatteten und wie die sogen. Wendenfriedhöfe d. h. die grossen Brandurnenfelder trotz dieser Bezeichnung vorwendischen, germanischen Ursprungs sind. In den letzten Jahren hat er aber hier eine Einschränkung gemacht, indem, anscheinend aus der ältesten Einwanderungszeit, Leichenbrand - Bestattungen mit wendischen Beigaben Vorkommen, sei es, dass heidnisch-germanische Volksreste, die trotz -der Völkerwanderung in der Heimat verblieben und von den einwandernden Slaven allmählich absorbiert wurden, diesen Todtenkultus aufangs noch weiter übten, sei es, dass wirkliche Slaven von den heidnischen Germanenresten hie und da den Totenkult der Leichenverbrennung annalimen, sei es endlich, dass derselbe auf die Berührung mit den an der Ostsee wohnenden, noch heidnischen skandinavischen Stämmen auf Vermischung mit nordischen Wikingern u. dgl. fremden Elementen zurückzuführen sein wird.
Auch ein anderes grosses Feld unserer Forschung die Volkskunde hat unsern Virchow unausgesetzt beschäftigt: Sitten, Sagen, Gebräuche, Geräte und Volkstracht; dafür legt Zeugnis ab das deutsche Volks- trachten-Museum, das uns ebenfalls befreundet ist, und Virchow seine Begründung recht eigentlich verdankt. Leider hat er die sichere Unterbringung und angemessene Aufstellung dieses grossartigen Bildungsmaterials nicht mehr erleben sollen.
Lassen wir uns an diesen wenigen Zügen in knappster Darstellung für diesmal genügen, vor allem aber halten wir Virchows Bild in
*) Ausnahmsweise sind slavische Burgwälle auch zu mittelalterlichen Burgen, neuerlich zu Windmühlenorten und sogar, wie der unserm Mitglied Postrat Steinhardt gehörige bei Treuenbrietzen belegene Burgwall zeugt, zu modernsten Landhausanlagen benutzt worden.