Heft 
(1902) 11
Seite
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$ (3. ordentlich«) Versammlung des XI. Vwemsjahres.

Richard Wagners zu seiner ersten Gattin Minna geborenen PJauer und zu seiner Freundin Mathilde Wesendonck zu erfahren.

Hierüber verbreiten einige Briefe Wagners, die G. Manz in der «1 gk Rdsch. eben der Oeffentlichkeit übergiebt, vielfach neues Licht. Sie lassen uns das Fühlen und Handeln der drei Menschen mehr, als es bisher möglich war, nachempfinden und verstehen. Wir heben aus der Veröffentlichung folgende Partien aus einem im August 1858 aus Genf an seine Schwester Klara gerichteten Brief Wagners hervor, in denen er sich über seine Ehe mit Minna und seine Beziehungen zu Mathilde Wesendonck ausspricht:

Meine liebe Kläre! Ich versprach Dir noch etwas Näheres über die Veranlassungen zu dem entscheidenden Schritte, in dem Du mich jetzt begriffen siehst. Ich theile Dir das Nöthige mit, damit Du auch sonstigem Geschwätze, gegen das ich zwar recht gleichgiltig bin, ent­gegnen kannst.

Was mich seit sechs Jahren erhalten, getröstet und namentlich auch gestärkt hat, an Minnas Seite, trotz der enormen Differenzen unseres Charakters und Wesens, auszuhalten, ist die Liebe jener jungen Frau, die mir Anfangs und lange zagend, zweifelnd, zögernd und schüchtern, dann aber immer bestimmter und sicherer sich näherte. Da zwischen uns nie von einer Vereinigung die Rede sein konnte, gewann unsere tiefe Neigung den traurig wehiniithigen Charakter, der alles Gemeine und Niedere fern hält und nur in dem Wohlergehen des Anderen den Quell der Freude erkennt. Sie hat seit der Zeit unserer ersten Bekannt­schaft die unermüdlichste und feinfühlendste Sorge für mich getragen und alles, was mein Leben erleichtern konnte, auf die muthigste Weise ihrem Manne abgewonuen. Dieser konnte der offenen Unumwnndenheit seiner Frau gegenüber nicht anders, als bald in wachsende Eifersucht verfallen. Ihre Grösse bestand nun darin, dass sie stets ihren Mann von ihrem Herzen unterrichtet hielt und ihn allmälig bis zur vollsten Resignation auf sie bestimmte. Mit welchen Opfern und Kämpfen dies nur geschehen konnte, lässt sich leicht ermessen: was ihr diesen Erfolg ermöglichte, konnte nur die Tiefe und Erhabenheit ihrer, von jeder Selbstsucht fernen Neigung sein, die ihr die Kraft gab, ihrem Manne sich in solcher Bedeutung zu zeigen, dass dieser, wenn sie endlich mit ihrem Tode drohen konnte, von ihr abstehen und seine unerschütterliche Liebe zu ihr dadurch bewähren musste, dass er sie selbst in ihrer Sorge für mich unterstützte. Es galt ihm endlich, sich die Mutter seiner Kinder zu erhalten, und um dieser willen die ja uns beide auch am unüber­windlichsten trennten fügte er sich in seine entsagende Stellung. So, während er von Eifersucht verzehrt war, wusste sie ihn wieder so für mich zu interessiren, dass er wie Du weisst- mich oft unterstützte; als es endlich galt, mir nach Wunsch ein Häuschen mit Garten zu ver-