Pfarrer Backhaus, Ans der Geschichte des Dorfes Ragösen.
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hinuntereilte. Wie aber nachher bekannt wurde, war es der Ragösener Förster P. gewesen, der die Bitte an den Kobold mit einer urkräftigen Ohrfeige erfüllt hatte. Zuletzt ting man an zu munkeln, dass eine Dienstmagd L’s. den Kobold spiele, und diese Vermutung war jedenfalls richtig; denn als sie das Hans verliess, hörte plötzlich das Spuken auf.
HI.
Die Vergnügungen.
Unter den Vergnügungen nehmen die Spi nnich ten sicher die erste Stelle ein. Die eigentlichen Spinnichten werden gebildet von den unbescholtenen Mädchen des Ortes, die sich in sechs Koppeln während des Winters an allen Abenden der Woche ausser am Sonnabend von 7 —10 Uhr versammeln, um zu spinnen oder sonstige Handarbeiten zu verrichten. Die Zusammenkünfte finden in der Wohnung der Angehörigen oder Dienstherrschaften der Reihe nach statt. Die zuletzt konfirmierten Mädchen treten in die 6. Koppel ein. Alljährlich findet eine Versetzung statt. Jede höhere Stufe beschliesst, wen sie aus der nächst niedrigeren herübernehmen will. Wird ein Mädchen bei der Versetzung übergangen, gilt das für eine grosse Schande, die manchmal zum Fortziehen aus dem Dorfe veranlasst. Jedoch auch die männliche Jugend fühlt das Verlangen nach Geselligkeit und nimmt deshalb an den Spiunichten der gleichalterigen Mädchen ohne eine nützliche Beschäftigung teil, was allerdings zur Förderung ihrer Arbeit nicht gerade beiträgt. Wenn der Gesprächstoff ausgeht, wird ein Volkslied augestimmt und nach allen seinen Versen durchgesungen. Am beliebtesten sind zurzeit folgende Lieder: Au der Saale hellem Strande; Nun ade, du'mein lieb
Heimatland; Zu Strassburg auf der Schanz; Still ruht der See. Was sonst in den Spinnichten getrieben wird, kann sich ein jeder denken, der da weiss, was 16—24 junge Leute ohne Aufsicht angeben.
Für die Jugend sind die Spinnichten eine Lust, für die Bewohner der Häuser, in denen sie stattfinden, häufig eine Last. Selbst der solideste Hauswirt, der die Seinen des Abends nie verlässt, sucht vor den Spinnichten das Weite und drückt sich unterdes bei einem Bekannten oder in einem Gasthofe herum. Doch wagt auch der Beherzteste nicht, an dieser alten Einrichtung zu rütteln, aus Furcht, dann kein Gesinde zu bekommen. Die verheirateten Frauen vereinigen sich ebenfalls zu Spiunichten, sie jedoch ohne männliche Gesellschaft; denn die Ehemänner bleiben zu Hause und leisten ihren noch nicht confirmierten Kindern Gesellschaft. Selbst die uralten Weiblein kommen zum Spinnen zusammen, um ihre Neuigkeiten auszutauschen und von der guten alten Zeit zu erzählen. Wenn dann eins von ihnen das Zeitliche segnet, geben ihm die übrigen vollzählig