Heft 
(1902) 11
Seite
357
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Dr. M. Iiunze,Loewe als Hohenzollernsängeru.s. Bezieh, zuFriedr. WilhelmIV. 357

Konnte es wohl anders sein, als dass ich ihm mit ganzer Seele an­hänglich nnd ergehen war?

Während ich vor ihm sang, pflegte er ganz nahe am Flügel rechts von mir seinen Platz zu nehmen, und zwar so, dass er mir voll ins Gesicht sehen konnte. Das sicherste Wohlgefallen fanden hei ihm stets meine historischen Balladen. Ganz besonders liebte er die vier Balladen über Carl V.*) und die Nummern aus demletzten Ritter von Anastasius Grün.**) Mit meinemsalvum fac regem liess sich Se. Majestät gern an seinem Geburtstage, den 15. Oktober, durch den Dom-Chor wecken.

Hatte ich eine Ballade vor ihm gesungen, so pflegte der König mit der grössten Bestimmtheit zu sagen:Dieser Stoff ist wahr, oder »der Stoff ist hübsch, aber er ist erdichtet.Durch das künstlerische Interesse und das persönliche Wohlwollen eines so hochbegabten Königs beehrt zu werden so urteilt Loewe am Abend seines eigenen Lebens muss für jeden Künstler eine anregende Bedeutung haben, ihn zu frohem Schaffen und glücklichem Streben ermuntern. Und wahrlich, diese königliche Gnade leuchtet noch heute wie ein heller Stern in die Welt meiner Erinnerungen hinein, wie in meine nun stiller gewordene Zelle.

Und mit wie klarem ungetrübtem Blicke, mit wie sicherem Urteil, mit welcher Fülle von Wissen und gereifter Anschauung urteilte Friedrich Wilhelm IV. über alles, was irgend einem Gebiete der Kunst angehörte. Mit welcher bewundernden Verehrung hörte mau ihm zu, wenn er über solche Dinge sprach.

Mit wie tiefer Rührung habe ich, noch lange nach seinem Tode, Arbeiten von mir auf demselben Flügel in Sanssouci liegen sehen, an dem ich früher so oft das Glück gehabt hatte, ihm meine Balladen vor­tragen zu dürfen.

Auch in den fünfziger Jahren musste Loewe dem geliebten Könige noch häufig seine Balladen Vorsingen. So berichtet Loewe unter dem 13. August 1853:Um 8 Uhr hatte ich die Gnade, den König zu er­warten.***) Seine Majestät fragten in Ihrer leutseligen Fürsorge als Wirt:Haben Sie denn auch eine Tasse Thee bekommen, lieber Loewe, wir haben schon auf dem Schiff getrunken. Ich sagte, mich ver­neigend, das ich alles hätte, was ich mir nur wünschen könnte.

*;Kaiser Karl V. Vier historische Balladen: Das Wiegenfest zu Gent (Ana­stasius Grün), Karl V. in Wittenberg (Hohlfeld), der Pilgrim vor St. Just (Gr. v. Platen), die Leiche zu St. Just (Anast. Grün). Op. 124.

**) Max in Augsburg; Max und Dürer; Max Abschied von Augsburg. Op. 124.

***) Nämlich in Putbus. Loewe war dorthin vom Könige befohlen.