13. (5. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.
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Schrittzeichen versehene Stele gründlich zerstört und nicht nur auf das Gesicht umgelegt haben würden.
Die Direktion des Märkischen Provinzial-Museum hatte mir die Akten und das übrige Material zur Prüfung und Äusserung zugeschrieben.
Die Lösung des vorliegenden Schrifträtsels gelang mir überraschend schnell, da derartige und ähnliche Inschriften schon seit einigen Jahrzehnten mein Sonderstudium bilden und da es mir durch Übung nicht schwer wird, alsbald den den Inschriften von ihren Verfassern mitgegebenen Schlüssel aufzufinden. Bevor ich jedoch auf die Inschrift selber eingehe, muss icli zur Vorbereitung des Verständnisses dafür etwas weiter ausholen.
Der Stein lag am Eingang des Kirchhofes, allerdings umgestürzt mit der Inschrift gegen den Erdboden. Es ist nicht anzunehmen, dass der grosse und schwere Stein ohne Not wird hin- und hergewälzt worden sein. Ehedem war er sicherlich derart aufgerichtet, dass die Inschrift in der Vertikalebene lag und von jedem, der den Kirchhof betrat, gelesen werden konnte. Als der Weg nach der Kirche immer mehr ausgetreten und von Regengüssen tiefer ausgewaschen war, verlor der Stein eines Tages das Gleichgewicht und fiel auf die Inschrift.
Unmöglich konnte seiner Zeit dieselbe den Ortseingesessenen, die damals gar nicht lesen konnten, etwas neues Sagen; sie musste also für Fremde, die des Lesens kundig waren, bestimmt sein. Es konnten diese durchreisenden Fremden kaum andere Leute sein als solche, die ein Interesse an dem hatten, was die Hersteller der Inschrift vor ihnen getan. Lesen und Schreiben wurde im früheren Mittelalter lediglich in den Klöstern gelehrt und geübt und aus diesen heraus, deren Äbte nicht selten hochbegabte Baumeister waren, entwickelten sich die Bauhütten d. h. die von der Klostergeistlichkeit unabhängigen Vereinigungen von Baukünstlern, die in bedeutenderen Städten ihren festen Wohnsitz hatten. Für die damalige Zeit würde hier in erster Linie die Torgauer Bauhütte in Betracht kommen Wo irgend in der Mark bald nach Einführung des Christentums es etwas zu bauen gab an Kirchen, Kapellen oder Rathäusern, entsandte die Bauhütte einen Meister mit der nötigen Anzahl Gesellen, um den Bau auszuführen. Mindestens der Meister war ein im Lesen und Schreiben bewanderter Manu. Jeder Faber, wie der technische Ausdruck für die Bauleute liiess, hatte bei seiner Aufnahme in die Hütte einen Eid dahin leisten, dass er von den Geheimnissen seiner Bauhütte bei den schwersten Strafen nichts verraten und weder durch Eingraben noch durch Schreiben Mitteilungen machen würde. Trotzdem unterlassen es die Bauleute selten und fast nie, sich zu verewigen d. h. vorüberziehenden Zunftgenossen Nachrichten über ihre Tätigkeit zukommen zu lassen. Im früheren Mittelalter konnte dies ohne Gefahr und unbeschadet