Heft 
(1902) 11
Seite
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14. (0. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

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ist genau entgegengesetzter Meinung und pflichtet unserm wackern Vor­kämpfer für die Erhaltung unserer Naturdenkmäler von ganzem Herzen hei, wenn er sich, wie folgt, äussert:

Eine Anzahl kleinerer brandenburgischer Städte wie Belzig, Niemegk, Jüterbog, Treuenbrietzen, Zinna u. a. zeigen eine Eigentümlichkeit, der sieh in Süddeutschland, Thüringen, Tirol u. s. w. auch grössere Städte erfreuen, nämlich schmale, etwa einen halben Meter breite und ebenso tiefe kleine Wasscrlüufe mit altertümlicher Holzeinfassung, die mit ihren Planken und Holmen und dem still dahinfliessenden klaren Wasser das Strassenbild eigen­artig gestalten und anheimelnd beleben. Trotz des Nutzens, den das Wasser bei Feuersgefahr und auch sonst den Anwohnern bietet, die Gemüse und Blumen in den an die Häuser sieh anschliessenden Gärten ziehen, trotzdem das Wasser den Ackerbürgern für die Haus- und Viehwirtschaft und vielen Gewerbtreibenden unentbehrlich ist, arbeiten die Verwaltungsbehörden, zu­meist unter dem Druck der augenblicklich herrschenden hygienischen Hocli- tlutli an der Beseitigung der Wasserläufe, und wenn nicht die Zentral­behörden diesen Bestrebungen entgegenwirken, steht zu befürchten, dass in kurzer Zeit die betreffenden Orte der Zierde ihres fliessenden Wassers beraubt sein werden. Das wäre um so mehr zu bedauern, als in den letzten Jahrzehnten manchenorts vieles getan ist, was das Städtebild des eigenartigen Reizes der Kleinstadt entkleidet hat und jetzt noch manches geschieht, um mit allen Kräften die Orte zumodernisieren. Alte Stadtmauern hat man abgebrochen, um Wegebaumaten'al zu gewinnen, hat Torpfeiler zerstört, die ganze Ileeresziigc nicht behindert haben, um Raum für den Kleinstadt- Verkehr zu schaffen, hat um die verfallenden Kirchen herum die alten Bäume gefüllt, die gnädig die baulichen Sünden der Vorväter verdeckten; man beseitigt die alten Fachwerkwände, aber nur an der Strasse und hängt die massiveSchürze vors Haus; man überstreicht die Fachwerke und Wände einfarbig in den modernsten unbestimmten Farben, weil das Herausheben des Balkengefiigcs durch kräftige Tönung für bäurisch gilt und bringt moderne Zutat an, auch da, wo sie nicht hingehört. Dazu kommt diekünst­lerische Wirksamkeit der Baugewerkschul-Maurermeister, die bereits Gehöfte und Dörfer modernisieren, so dass die eigentümlich schönen Facliwerkgebäude mit dem alten verzierten Gebälk mehr und mehr entschwinden und dem ästhetischen Gefühl eine gähnende Lücke nach der anderen klafft.

Deshalb wäre zu wünschen und zu hoffen, dass von berufener Seite alsbald geeignete Schritte getan würden, um neben dem, was allenfalls sonst noch zu retten ist, auch die kleinen Wasserläufe, die bekannten Stadtbäche oiler Büken vor dem Untergänge zu bewahren, dem sie verfallen sind, wenn man den gekennzeichneten Bestrebungen freien Lauf lässt. Diesem Wunsche Ausdruck zu geben und diese Forderung zu stellen, ist die Brandenburgs in erster Linie berufen. Indem das hiermit geschieht, muss gleichzeitig aus­drücklich hervorgehoben werden, dass mit unserer Forderung die übrigen, so weit sie berechtigt, sehr wohl vereinbar sind, was sich leicht zwar, jedoch nicht in Kürze und nicht an diesem Orte nachweisen lässt.

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