14. (ß. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres,
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des hiesigen Kgl. Völkerimiseums Herrn Geheimrats I)r. Voss und meine Anzeige „Brandenburgs“ X. 21—24.
XX. Über den gegenwärtigen Stand der Erforschung des Urmenschen bin icli wiederholt ersucht worden, im Anschluss an das von mir gelegentlich des Nachrufes für unser Ehrenmitglied Rudolf \irchow (S. 2b2) Mitgeteilte tunlichst noch Ergänzungen zu geben. In der Tat ist seit Rudolf Virchows Tod die Frage nach dem Urmenschen d. h. nach den im Diluvium und Tertiär vorkommenden Vorläufern mit einemmale bereits wiederum eine brennende geworden, nachdem insbesondere der bekannte Heidelberger Anatom Professor Dr. H. Klaatsch, zunächst auf den Anthropologen-Versammlungen und kürzlich zu Stuttgart im württembergischen Anthropologischen Verein es unternommen, im Anschluss an das tausendfältig besprochene Gerippe des Menschen aus dem Neanderthal bei Düsseldorf den Zweifeln Virchows scharf entgegenzutreten.
Es lässt sich an dem Wortlaut Virchowscher Vorträge nachweisen, dass Virchow über die Authentizität von körperlichen Resten des Diluvialmenschen in seinem Urteil geschwankt, wenn er auch die Echtheit diluvialer Geräte und sonstiger von Menschenhand bearbeiteter Gegenstände wohl niemals ernstlich bezweifelt hat, wie dies mehrfach der namhafte dänische Anatom Japetus Steenstrup getan, welcher unverkennbar einen grossen Einfluss auf Virchow ausgeübt hat. Steenstrup bezweifelte vielfach auch die diluvialen Artefakte und Manufakte selbst; mir ist es selbst so ergangen, dass, als ich ihm eine diesbezügliche Mitteilung machte, er dieselbe lediglich wegen des diluvialen Alters der Gegenstände schriftlich zurückwies*).
Ich selbst habe das Vorkommen diluvialer Menschenreste niemals bezweifelt, nachdem ich mich von deren geologischer Stellung überzeugt, und ich bin beispielsweise für die Gleichalterigkeit des Menschen mit dem Mammut und den gleichzeitigen übrigen grossen diluvialen Säugern wiederholentlich eingetreten und verweise dieserhalb auf meine an die bekannten Rixdorfer Funde sich anlehnenden Vorträge in der „Branden- burgia“ I. 118—180, IV. 1(32-174, VII. 209 flg.**)
Unter Urmensch verstehe ich die Rassen, welche vor der jetzigen Erdbildung (Jung- und Alt-Alluvium) im Diluvium, beziehentlich vor demselben gelebt haben. Pis ist jetzt gelungen, innerhalb dieses Sammel-
*) Vgl. meinen Artikel: Lebten das Mammut und die Tiere, deren
Gebeine bei Artefakten in den verschiedenen Diluvial-Sehichtungen vereint gefunden worden, mit dem Menschen zusammen? „Brandenb.“ I. S. 178.
**) Im palaeontologischen Museum der Berliner Universität (Direktor: Geheimrat Dr. Branco)’ist jetzt eine von Menschenhand bearbeitete diluviale Scapula vom Wild - pferd (Equus caballus fossilis) aus dem Interglaziär von Bixdorf in der Schausammlung aufgcstellt.