Heft 
(1902) 11
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14. (6. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

begriffe verschiedene Rassen, teils gleichzeitige, teils durch geologische Unterstufen getrennte Rassen zu unterscheiden, wobei ich den bezeich- neten Ausführungen des Professor Klaatsch folge.*)

Der Mensch hat bereits vor der Eiszeit eine ausserordentlich weite Verbreitung gehabt. Die bei St. Acheul, Amiens und anderweit in Nordfrankreich schon vorJahrzehnten von Lartet, später von Christv u. A. gefundenen, mandelförmig und katzenzungenförmig zugeschlagenen Flintsteine aus der Chelleen-Schicht kommen mit Ilippopotamus, Elephas antiquus, Rhinoceros merckii etc., mit Cypressen, Lorbeer und anderen ein mehr wärmeres Klima andeutenden Gewächsen vor; die erste Abkühlungsperiode hatte damals noch nicht eingesetzt.

Flintmesser von diesem sehr altertümlichen Chellöen-Typus (St. Acheul pp., vergl. Brandenburgia I, 180) sind in Grossbritannien, Belgien, Portugal, Spanien, ganz Nordafrika, Südafrika, Nord-, Mittel- und Südamerika derartig häufig, dass die ent­sprechenden Spuren des Menschen in unseren Gegenden, wie Klaatsch zutreffend betont, nur als eine Teilerscheinung von mehr untergeordneter Bedeutung gelten können.

Die Tnterglazialfunde, auf die besonders Alfred Nehring aufmerk­sam gemacht hat, von Tiede, Westeregeln und Taubach, aus der Einhornhöhle, von Scluissenried (0. Fraas Untersuchungen), Schweizerbild und Thayingen bei Schaffhausen etc. sind nur vorgeschobene Posten einer Menschheit, welche in ihrer Hauptmasse im Süden, unbeeinflusst vor der Vereisung lebte. Die Sahara existierte damals noch nicht als Wüste; von Nordafrika gingen Landbrücken nach Sizilien und der iberischen Halbinsel. Daher ein leichtes Auswechseln der Menschen und Tiere hüben und drüben.

Klaatsch sagt S. 68:Die Mammutjäger unserer Regionen haben

also mit dem ersten Auftreten des Menschen garnichts zu tun und die Beziehungen des letzteren zur Eiszeit oder vielmehr zu den einzelnen Glazial- und Tnterglazial-Perioden sind in erster Linie von chronologischer Bedeutung. Wir werden durch die Veränderungen der diluvialen Säuge­tiergesellschaft des Menschen in Mitteleuropa und durch die in Frank­reich zuerst erkannte allmählich sich vollziehende Umgestaltung der Technik in der Bearbeitung des Steinmaterials in den Stand gesetzt, eine Klassifikation der einzelnen Funde vorzunehmen. Das Aussterben des Nilpferdes, die Vertretung des Elephas antiquus durch Elephas primigenius, die Anpassung des Mammut und des Rhinoceros an das kühlere Klima durch ein dichteres Haar­kleid, endlich das Vordringen nordischer Tierformen, die weite Ver-

*) Corresp.-Blatt der Deutschen Anthrop. Ges. XXIII. Sept. 1902. S. 68 flg.