Heft 
(1902) 11
Seite
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14. (6. orilentliclie) Versammlung des XL Vereinsjahres.

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10. Januar 1908 Herr Professor Dr. II. Klaatscli einen Projektions Vor­trag im Museum für Völkerkunde liierselbst angezeigt unter dem Titel: Palaeolitliische und anthropologische Ergebnisse einer Studienreise durch Deutschland, Belgien und Frankreich, eine Zusammenfassung dessen, was über den Urmenschen in den genannten Ländern bekannt geworden ist.

1887 traten hierzu zwei menschliche Gerippe mit gleichen Merk­malen, die Fraipont in der Höhle von Spy bei Namur auffand. Die Spy-Skelette lagen in der untersten von 8 Schichten, deren jede Knochen­reste von Mammut und Rhinozeros, sowie Messer vom St. Acheul- bezw. Moustier-Typus enthält.

Hierzu kommt gelegentlich der Untersuchungen, welche der kroatische Professor Gorjanovic - Kramberger in den Diluvialschichten von Krapina l>ei Agram 1899 und 1900 vornalnn, die überraschende Ent­deckung von menschlichen Gebeinresten in ungestörter Lagerung zu­sammen mit den Resten des Höhlenbären, des Rhinoceros merckii, des Murmeltieres etc., sowie von Steinmessern des St. Acheul-Typus. Alle Menschenknochen, fast ausnahmslos Schädelreste, sind zerschlagen und zeigen dieselbe Behandlung, dabei Brandspuren wie die dabei ge­legenen, Tierknochcn. Es sind Reste von mindestens zehn Menschen, Erwachsenen und Kindern. Die eigentümliche Misshandlung und An­häufung dieser menschlichen Reste wird auf Kannibalismus gedeutet..*) Der Mensch von Krapina schliesst sich durch mehre Besonderheiten den ältesten bekannten menschlichen Schädeln an und gehört in den Formen­kreis des Homo neanderthalensis Schwalbe,**) für den dieser Strass-

*) Dr. Ciorj anovic - Kramherger, der paläolithisc h e Mensel) und seine Zeitgenossen aus dem Diluvium von Krapina in Kroatien. Mit­leilungen der Antlirop. Ges. in Wien, Bd. XXXI und XXXII. Referat von Ludwig Wilsev in der Naturwiss. Wochenschrift vom 9. Nov. 1902. Bd. XVIII s. auch das. XVII., 11. Schwalbe: Xeandertlialscliädel und Friesen-

scliildel. Globus Bd. 81, Nr. 11. Referat darüber von Wilser in der Naturw. Wochenschrift vom 15. Juni 1902 Bd. XVII, 441.

**) G. Schwalbe resümierte sich auf der 15. Versammlung der Ana­tomischen Gesellschaft zu Bonn dahin, dass der Neanderthal-Mensch in vieler Beziehung den Anthropoiden näher gestanden habe, als dem heutigen Menschen und dass daher die Meinungen von King und Cope, welche den Neanderthal-Mensclien bereits als einer besondern Art der Gattung Mensch zugehörig erkannt hätten, völlig gerechtfertigt seien. Diese besondere Species Homo sei mit dem übrigen quarternär- palaeolithischen Menschen in keiner Weise zu verschmelzen, sondern stelle eine ältere Form dar, die einzig mit dem Schädel von Spy und dem Unterkiefer von la Naulette zu vereinigen wäre. Sehr wahrscheinlich gehörten diese Reste dem untersten Diluvium an der Grenze des Tertiär an, obwohl die Möglichkeit, dass der Ilomo primigenins neanderthalensis als fortdauernde niedere Rasse eine Zeit hindurch liehen dem jüngern Homo sapiens, dein Stammvater der jetzigen europäischen Menschheit gelebt haben möge, nicht auszuscliliessen sei.