Heft 
(1902) 11
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Kleine Mitteilungen.

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ganzen östlichen Halbkugel, selbst in Afrika weit verbreitet sind oder doch waren. Die Zahlpfennige, welche schon im Mittelalter bekannt sind, wurden namentlich vom Ende des 17. Jahrhunderts ab vorzüglich in Nürnberg für die ganze Welt als Spielmarken der Erwachsenen wie der Kinder gefertigt; auch die vielfach verbreiteten Prägstücke mit Ludovicus XIV., XV. oder XVI. Dei gratia Eranciae et Navarrae Rex sind in Nürnberg geprägt und finden sich wie die ebenfalls vielbeliebten mit den Köpfen der deutschen Kaiser von Leopold I. bis Joseph II. überall in Deutschland in alten Hausstätten, Abladestellen u. s. f. vor; beispielsweise in und bei Berlin unzähligemale; sie können zur Zeitfeststellung von Fundstellen sehr gut verwendet werden.

Bei wilden und halbwilden Völkern haben diese glänzenden messingenen Füttern zum Ersatz des Goldes von jeher als Schmuck gedient. Seitdem die Franzosen Algier eroberten und sich den Absatz nach den arabischen, berberischen und negroiden Ländern Afrikas eröffneten, haben sie billigen Schmuck in orientalischer Stiüsirung erfunden und damit die deutschen Tantes vom schwarzen Erdteil an vielen Orten verdrängt. In den orientalischen Bazars kaufen die unkundigen deutschen Reisenden diese unechten Schmuck­sachen, die teils in Paris, teils in Nachahmung der Pariser Waare neuerdings auch in Nürnberg gefertigt werden, als echte maurische oder arabische Ware. Nur soweit die noch jetzt immer wieder neugeschlagenen Maria Theresia-Thaler im Sudan als Handelsmünze gelten, sind auch die deutschen Spielmarken noch als beliebter Weiberschmuck in Afrika gangbar.

Am Kopfputz und Brustlatz moderner Tscheremissen-Frauen fand Stieda in .Jekatcrinburg ebenfalls (S. 21) deutsche Spielmarken. S. 23 heisst es: Sehr interessant ist das Festgewand einer mordwinischen Frau (der Kasan- schen Sammlung angehörig). Das Gewand aus dem Kreis Stawropol im Gouvernement Ssamara herstammend, ist überaus reichlich verziert mit Münzen, von denen der grösste Teil deutsche Rechenpfennige sind. Ich konnte sieben verschiedene Formen unterscheiden, die meistenzeigen auf einer Seite einen männlichen Kopf (Ludwig XV. oder XVI.), auf der andern Seite ein beliebiges Bild mit einer Inschrift. Die Rechenpfennige sehen neu aus; ob noch jetzt solche Rechenpfennige angefertigt werden, oder ob die betreffenden aus älterer Zeit herrühren, vermag ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls bleibt es interessant, dass deutsche Rechenpfennige soweit nach Osten, vielleicht noch weiter Vordringen, um mordwinische und tscheremissisehe Frauen zu schmücken. Zu bemerken ist, dass neben jenen echten Rechen­pfennigen das Gewand auch viel unechte trägt, die sehr schlecht nachgemacht sind. Es wäre nicht ohne Interesse, den Weg zu verfolgen, den die deutschen Rechenpfennige von ihrer Ursprungsstätte (Nürnberg?) bis nach Sibirien hinein nahmen.

Dem mag hinzugefügt werden, dass dgl. Tantes mit Köpfen französi­scher Könige längst nicht mehr geschlagen werden, dass jene Rechenpfennige also alt sein werden. Die Mode folgt vielmehr der Gegenwart. Die Rechen­pfennige und Spielmarken aus goldig aussehendem Messing werden noch immer in Menge in Nürnberg, Berlin und anderen Industrieplätzen angefertigt und zeigen jetzt längst schon u. a. den Kopf Kaiser Wilhelm II. Bei Zigeunerinnen und Orientalinnen findet man diese modernsten Tantes als

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