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15. (7. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.
Schutz der Flora. „Viele seltnen Spezies der Flora sind leider im Rückgänge begriffen. Die fortschreitenden Meliorationen, der ständig nach rationelleren Gesichtspunkten sich ausbildende Ackerbau und der Kahlschlag der Privatwälder fordern ihren Tribut von der Pflanzenwelt. Im vorigen Säkulum ist manch eine Art dem Eigennutz des unheimlich praktischen Menschen zum Opfer gefallen oder durch ihn wesentlich dezimiert worden. Auch ein Stück des Kampfes ums Dasein haben wir hier vor uns. — Giebt es keinen Ausweg? Sind Denkmäler der Natur dank Prädestination ihrem Untergänge geweiht? Ich glaube, dass es sehr wohl möglich wäre, charakteristische Bestände und im Aussterben begriffene Arten zu schützen. Ängstlich bemüht ist der liomo sapiens, Denkwürdigkeiten, die mit seinem Geschleckte Zusammenhängen, zu kennzeichnen und festzuhalten? gleichgültig ist er den Naturgebilden gegenüber, vergessend, dass er auch zu ihnen gehört, dass auch er aus denselben Stoffen aufgebaut ist und von denselben Gesetzen beherrscht wird.“
So klagt Hans Preuss in einem Aufsatz „Seltenere Bestandteile des ostpreussischen Vegetationsbildes“, Naturwissenschaftliche Wochenschrift vom 4. Januar 19011. — Ganz so schlimm ist es nun, Gott Lob, nicht mehr. Für Ostpreussen hat Prof. Dr. Jentzsch für Westpreussen Prof. Conwentz, ersterer die zu schonenden Steinblöcke und Pflanzen, letzterer die Pflanzen mit förmlichen Schonrevieren inventarisiert. Für Brandenburg ist bekanntlich gleiches im Gange*), nur bitten wir auch hier im Sinne von Herrn Preuss die kleine bescheidene Pflanzenwelt am Boden ebenfalls zu schonen. Es tut dem Naturfreund in der Seele wehe, wenn er sieht, wie z. B. in unserm Tiergarten, um grosse „englische“ Rasenflächen, bowling greens, herzustellen, die unserm Klima nicht entsprechen, die zarte heimische Pflanzenwelt herausgerissen und achtlos bei Seite geworfen wird. Was waren früher für reizende wilde Frühlingsblumen im Tiergarten. Dr. Bolle entsinnt sich noch das Hainwindröschen (Anemone nemorosa) und das zweiblätterige Schattenblümchen (Majanthernum bifolium) bei den „Zelten“ gesehen zu haben. Jetzt sind diese lieblichen Kinder des Lenzes fast ausgerottet, von Majanthemum noch spärliche Reste in der Nähe der Hofjäger-Allee, von Anemone ein paar Pflanzen nahe der Lichtenstein-Brücke und der Einmündung des Weges „Tiergarten-Ufer“ in die Charlottenburger Chaussee. Wir ersuchen also auch für die Provinz Brandenburg, nicht um einen Yellow Stone-Park, aber doch um einige geeignete Schonreviere der interessantesten der kleinen und niedrigen Bodengewächse.
*) Vgl. Brandenburgs XI. 272 flg.