Hohenzollern- und andere Fürsten in Mythenbildung.
Von E. Lemke.
Geehrte Anwesende, vor ungefähr neun Jahren*) trug ich Ihnen einige Mitteilungen über „die Hohenzollern in neuester Mythenbildung“ vor, — Mitteilungen, die nur als sog. Lückenbiisser zu bezeichnen waren, da ich mich (wegen Erkrankung zweier aufs Programm gesetzter Redner) ganz schnell zu einem kleinen Vortrag hatte entschlossen müssen. Wenn ich nun heute über denselben Stoff spreche und einige Vergleiche hinzuziehe, so wollen Sie, bitte, auch an diese Mitteilungen keine grossen Ansprüche stellen; ich werde mich freuen, Sie ein wenig unterhalten zu haben.
Diesmal kann ich mich nicht mit der Erkrankung eines geschätzten Redners entschuldigen, wohl aber mit dem Zeitmangel, der mit einer abermaligen Wanderung nach Italien zusammenhängt. Übingens bestärkte mich gerade das schöne Land der Orangen und Limonen (wir sagen Apfelsinen und Citronen) oder vielmehr das vortreffliche Buch von Adolf Stahl- „Ein Jahr in Italien“ darin, besagter Mythenbildung zu gedenken.
Zwischen dem Monte Cavo und dem Orte Rocca di Papa im Albanergebirge, am Rande eines grossen ehemaligen Kraters, zeigt das Volk die Stelle, wo Hannibal auf seinem Zuge gegen Rom gelagert haben soll. Die römische Garnison bezieht jetzt hier ihre Sommerquartiere. Jene ganz unbegründete Behauptung veranlasst Stahl- zu den Worten: „Diesem Volke hat seine älteste Geschichte noch Leben, während bei uns das historische Volksbewusstsein nicht leicht über den alten Fritz und Ziethen hinausreicht. Die Gelehrten behaupten, dass Hannibal nie hierher gekommen, sondern unterhalb des Gebirges die Via Latina entlang gezogen sei.“ Dagegen ist es aus Livius gewiss, dass hier zum Schutze des
*) 13. Dez. 1893. Brandenburgs II, Jahrg. 207 f.
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