Heft 
(1903) 12
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E. Lemke, Hohenzollern- und andere Fürsten in Mythenbildung.

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in Europa. Der König sah es sehr ungern, wenn über seine Person berichtet wurde; und so öffnen sich denn die Quellen über ihn vorwiegend erst nach seinem Tode.*)

Desto eifriger und reichhaltiger gestaltete sich das Weben der Volksphantasie. C. Trog sagt in einer längeren Abhandlung**) darüber: Der Sagenkeis, welcher Friedrich den Einzigen umblüht, beginnt schon mit seiner Jugendgeschichte. So kommt der alte Dessauer nach Küstrin, um dem im Arrest sitzenden Kronprinzen den Vorschlag zu machen, ein Konzert in London anzuhören; und mühelos wird die Luft­fahrt auf einem ausgebreiteten Taschentuche erledigt. Ja, sogar noch ein paar fremde Gäste konnten mittliegen. Während des Konzerts sagte der alte Dessauer zum Kronprinzen:Wir wollen uns hier nicht er­kennen lassen. Lasse Du Dein Taschenmesser hier! Dann werden sie sehen, wer wir waren. Das Messer schicken sie uns schon wieder zu. Nach einigen Tagen kam dann auch richtig das Messer in einer Kiste mit einem Briefe in Küstrin an, und die Aufschrift lautete ganz recht: an den Kronprinzen. Dieser hatte die Kiste bei sich im Arrest, durfte sie aber nicht allein öffnen; das wollte der alte Dessauer nicht haben. Endlich kam letzterer durch die verschlossene Tür in den Arrest und sagte:Es war recht, Fritz, dass Du die Kiste nicht aufgemacht hast; sonst wäre etwas passiert. Die Kiste muss zubleiben, bis einer da ist, der geköpft werden soll; der kann sie aufschliessen. Endlich war einer da, der geköpft werden sollte; und wie der den Kistendeckel aufmachte, da gingen auf einmal vier Pistolen los, und jener war sofort ein toter Mann. Friedrich selber war unverwundbar; es konnte ihn keine Kugel treffen. Er sprengte blindlings in das Feuer der Schlacht und in die Feindesreihen, und wenn seine Umgebung ihn warnte, sagte er: Ach, die Kugel, die mich treffen soll, kommt von oben. Er konnte auch aus seinem Hute Kugeln schütteln, die die Feinde treffen mussten; sonst wäre es ja garnicht möglich gewesen, die siegreichen Kriege führen zu können. Solche Zauberkünste verstanden auch Ziethen und der alte Dessauer. Da konnten aus Häckerling und andern unscheinbaren Dingen Soldaten hergestellt werden. Im Gegensatz zu jener Über­zeugung des alten Fritz, dass seine Todeskugel nur von oben kommen werde, erzählt man sich: er selber habe sich unverwundbar gemacht, einfach durch das Studium des 6. und 7. Buches Moses. Wer daran zweifele, möge nach Stettin gehen und auf dem Paradeplatz dort das steinerne Bild des grossen Königs beschauen; die Schriften, die daselbst eingemeisselt sind, stellen das 6. und 7. Buch Moses vor. Nun soll man

*) Voss. Ztg. No. 117; 11. März 1902.

**) C. Trog, Friedrich der Grosse in der Sage. Am Urds-Brunnen 188687. No. 6 u. 7.