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E. Lemke, Hohenzollem- und andere Fürsten in Mythenbildnng.
jener Herr machte den Kaiser zum Mittelpunkt. Dann wurde eine Flasche Wein gebracht, und der Herr nötigte den Kaiser, zu trinken. „Nein!“ sagte der; „Ihr seid der Gastgeber, Ihr müsst zuerst trinken!“ Was nun? — Trank er nicht, so wnrd’ er gleich gefangen genommen und musste doch am End’ sterben. Also er besann sich nicht lange und trank — na! und starb. Nachher sagte der Kaiser zum Spitzbub’: „Du sollst nicht mehr Latek (= Finger) heissen, sondern zum Andenken an diese Geschichte Langefinger.“ Und das Gut von jenem Herrn schenkt’ er ihm.
Doch noch einmal zurück zum alten Fritz, der bekanntlich oft in Verkleidung umhergewandert sein soll. Einmal zogen er und Ziethen als Bettelleute durchs Land, bei einem Bauer demütig um Speise und Obdach bittend. Beides wurde ihnen gewährt; doch sie mochten die Vorgesetzte Grütze nicht essen. Das ärgerte den Bauer mächtig, und er schrie sie an: „Was? Ihr Schelme! Ihr bettelt und wollt noch wählerisch sein?“ Und dabei gab er dem alten Fritz eine Ohrfeige, dass diesem fast Hören und Sehen verging. Schnell begannen jene die Grütze zu verzehren. Am andern Morgen haben sie — die dem Bauern zum Dank einige Arbeit versprochen hatten — noch zweimal den Zorn des Bauern empfinden müssen, weil sie ihr gemeinsames Nachtlager nicht frühe genug verlassen wollten; und da bekam der alte Fritz nicht nur beim ersten Wecken die Prügel, sondern auch beim zweiten, weil er (um dieser zu entgehen) den Platz getauscht hatte. — Später hat der König seinen Spass mit dem ahnungslos zu ihm nach Berlin kommenden Bauern gehabt und diesen reich beschenkt. — Diese Geschichte wird ähnlich von Friedrich und Kaiser Joseph mitgeteilt; und Rochholz erzählt sie in seinen Schweizersagen unter der Überschrift „St. Petrus und die Geige“. (C. T.)
Noch zwei Mitteilungen aus dem Spreewald. Zu der Zeit, als der alte Fritz regierte, lebte in Dissen ein Edelmann, der so sehr schlecht zu seinen Leuten war. Das wollte der alte Fritz mal untersuchen. Er verkleidete sich also als Knecht und mietete sich bei einer Frau ein. Am Morgen früh’ weckte ihn die Frau. „Mein Söhnchen,“ sagte sie, „steh’ auf! Du musst an die Arbeit gehen.“ Aber der alte Fritz antwortete: „Grossmutter, lasst mich noch schlafen!“ Doch die Frau sagte ihm, er hätt’ Dung zu fahren; die andern Knechte seien schon bei der Arbeit. Er solle sich beeilen! Aber er beeilte sich durchaus nicht. Endlich brachte er den Wagen in Ordnung; und nun fuhr er los, — doch mit Absicht gegen einen andern Wagen, so dass er nicht weiter konnte. Gleich sprang der Herr auf ihn zu. Er hatte die Hundepeitsche in der Hand und schlug g’rad’ zu. Der alte Fritz liess es zuerst geschehen; dann öftnete er den Rock und — da zeigte sich der Stern auf der Brust. [Dies ist — wie ich auch schon damals mitteilen konnte — ein untrüg-