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E. Lemke, Hohenzollem- und andere Fürsten in Mythenbildung.
Sehen wir von dem Übermut ab, der in so manchen dieser Erzählungen sein Wesen treibt, und stossen wir uns nicht an dem heillosen Durcheinander von Personen, Ländern, Zeiten und Ereignissen, so müssen
mieten?“ — „Ach nein, mein Herr!“ sagte der Kaufmann; „wir haben leider kein Zimmer übrig für so ’nen feinen Herrn.“ Da kam die Tochter aus der Nebenstub’ und sagte; „Papachen, der Herr könnte ja in jenes Zimmer riehen.“ — „Na, denn räum’ aus!“ sagte der Kaufmann. Nun war die Sache schon so weit. Und jetzt spielte der Trommelschläger immerzu den grossen Herrn und erzählte, er hätte ein Gut in Schlesien. Nach vier Wochen waren die 4000 Taler zu Ende; aber noch war er mit dem Mädchen nicht einig. Er ging zum alten Fritz und sagte: er müsse die Frist noch um 14 Tage verlängern; das Geld wäre bald zu Ende. „Na, ich werd' Dir noch 14 Tage Frist gönnen. Wie viel Geld brauchst Du?“ Mit 800 Thaler würd' er aus- kommen. Gut! — er bekam die 800 Thaler. Jetzt beeilte er sich, um die Tochter anzuhalten. Der Kaufmann aber sagte: „Lieber Herr, ich kann Ihnen nur lumpige 20 000 Thaler Mitgift geben; wie soll da meine Tochter Ihre Frau werden?“ Na, der Trommelschläger sagte: erbrauchte gar keine Mitgift; er hätte allein genug. In jener Zeit sagte aber die Tochter zum Vater: „Hör' mal, Väterchen, der feine Herr hat
eine Trommel bei sich und trommelt manchmal; das hat etwas zu bedeuten!“ — „Ach,“ sagte der Trommelschläger, „das ist schon wahr, und das kommt daher, weil ich als Kind so gern trommelte; ich spiel’ mir da etwas vor.* — Jetzt waren aber auch die 800 Thaler zu Ende. Der Trommelschläger schrieb einen Brief, der quanzweise zur Post gebracht werden sollte. „Johann, kannst Du weinen?“ fragte er den. „Wenns nötig ist, eine ganze Schüssel voll!“ sagte der, ,;Dann trag' diesen Brief quanzweise auf die Post! Und wenn Du den Kaufmann triffst, wein’, was Du kannst und sag' ihm: mein Vater in Schlesien wär’ plötzlich gestorben, und ich müsst' sofort abreisen.“ Gut! — Der Diener nahm den Brief in Empfang. Als er den Kaufmann traf, weint er los. „Na nu, was ist denn gescheh’n?“ fragte der Kaufmann. „Ach, mein Herr hat die Nachricht bekommen, dass plötzlich sein Vater in Schlesien gestorben ist; er muss gleich abreisen.“ Und dann ging der Diener quanzweise zur Post. Der Kaufmann suchte den Trommelschläger auf und wollte ihn trösten. Der aber sagte: „Ich kann das grosse Gut und all’ die Wirtschaft nicht übernehmen, wenn ich nicht gleich eine Frau mitbringe.“ Und so kam es denn, dass das Paar getraut wurde. Aber jetzt war auch alles Geld zu Ende. Und jetzt kam auch Ordre: der Trommelschläger solle sofort trommeln kommen! Der ging denn auch richtig ab. Zur Essenszeit Hess er seiner Frau sagen: sie solle ihm das Essen bringen. Na, nun war die unglücklich. „Papachen,“ sagte sie, „ich bin betrogen. Ich soll das Essen an die Wache bringen; mein Mann ist ein Trommelschläger.“ Ja. das war nun nicht zu ändern. Sie verschleierte sich und ging mit dem Essen ab. Jetzt liess der König den Mann zu sich rufen und schickte eine Equipage nach der Frau. Die fuhr auch hin. Und der König fragte sie: warum sie so weinte? „Ach, Majestät, ich bin betrogen. Mein Mann hat mir gesagt, er hätt’ ein Gut in Schlesien.“ — „Das hat er auch,“ sagte der König. — „Und dann hat er mir gesagt, er wär’ ein feiner Herr.“ — „Das ist er auch,“ sagte der König und gab Befehl, dass die Tür zum Nebenzimmer aufgemacht würde. Da trat der Trommelschläger in Offizierskleider heraus; der König hatte den Mann gleich zum Offizier gemacht. Nun kann man sich denken, wie die Frau überrascht war. Der König liess sofort einen Pfarrer holen, denn er wollte das Paar noch einmal trauen lassen. Und als der Pfarrer kam, sagteer: „Herr Pfarrer, tun Sie Ihre Pflicht!“ Und der traute dann noch einmal. Und danach musste der König dem Mann ein Gut in Schlesien kaufen.