Heft 
(1903) 12
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E. Lemke, Hohenzollern- und andere Fürsten in Mythenbildung.

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wir bekennen, dass uns ein stark ausgeprägtes Gefühl von Vertrauen zur Gerechtigkeit der Fürsten entgegentritt und angenehm berührt. Fast überall will man in diesen Fürsten einen Menschen sehen, der mit be­sonderen Gaben ausgestattet und daher ebenso befähigt, wie berufen und verpflichtet ist, die Wirren im Lande und die Sorgen der Einzelnen aufs Beste auszugleichen. I)a menschliche Kraft dazu nicht immer aus­reicht, greift man höher; man stattet den an sich schon Bevorzugten mit übernatürlichen Eigenschaften aus, so auch in jenen kleinen Erzählungen und z. T. scherzhaften Überlieferungen, die an seinen Namen geheftet werden. Die Erforschung des Volkstümlichen lehrt uns, dass unsere sinnigsten (hierhergehörenden) Sagen es sei nur an den Kyffhäuser erinnert demselben Boden entsprossen sind. Will jemand einwenden, dass Überlieferungen wie die vorhin mitgeteilten eigentlich etwas recht Kindisches bedeuteten, so wollen wir das Wort inKind­liches verändern.

Kindlich müssen wir auch die Vorstellungen nennen, die das Volk über die äussere Person eines Fürsten hartnäckig beibehält.

Doch es kommen ancli mehr oder minder zutreffende nüchterne Beurteilungen vor; so z. B. eine Schilderung des Königs Friedrich Wilhelm IV. Der war sehr gross und schlank und hatte dünne Zähne. Er war nicht so ausgeputzt, wie die Generäle; er trug einen einfachen Mantel und eine Feldmütze. Die Polissen (Epaulets) hatte er natürlich unter dem Mantel; aber so sah er ganz einfach aus. Am meisten sprach er mit einem Herrn, mit dem er in Frankreich zu­sammen gewesen war. (Ostpreussen.)

An einen längen Aufenthalt Friedrich Wilhelm IV. in Frankreich wird die Erzählung von einem Kornblumenstrauss geknüpft, den das Kind eines französischen Feldherrn dem damaligen Prinzen mit der flehenden Bitte überreicht haben soll, das Leben des in einer Schlacht gefangenen Vaters zu schonen. Die Bitten der Gattin des Feldherrn waren vergeblich gewesen; aber als der Prinz die Kornblumen gesehen hatte, sagte er:Wegen der Blumen will ich begnadigen. Und er be­gnadigte den Feldherrn, und seitdem sind die Kornblumen immer so ein Andenken geblieben. (Ostpr.)

Vollends verblüffend ist die zuweilenangetrofteneMeinung: dieKönigin Luise sei von Geburt keine Prinzessin, sondern eine schöne Fleischers­tochter aus Steglitz gewesen; damit sie seinen Sohn heiraten konnte, wurde sie vorher vom Könige zur Prinzessin erhoben. Einmal hat der Prinz ein Frühstück bei seinem Schwiegervater bestellt. Dem solls aber 4000 Thaler gekostet haben, denn es wird natürlich alles vom Schönsten und Besten gewesen sein. Erbarmen Sie sich! das kann man sich doch denken. (Ostpr.)