Heft 
(1903) 12
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Kleine Mitteilungen.

2. Das erste Taschentuch, welches man in Europa kennt, wurde vor etwas über 350 Jahren getragen. Die Frau, welche die Civilisation diesen grossen Schritt machen Hess, war eine schöne Venctianerin, und so ist Italien nicht nur die Wiege der klassischen Bildung, sondern auch der Taschen­tücher. Von Italien überschritten sie die Alpen und breiteten sich alsbald in Frankreich aus, wo sie bei den Herren und Damen am Hofe Heinrichs II. in Mode kamen. Erst 1580 bürgerte sich dieser Toilettegegenstand in Deutsch­land ein, diente aber nur Fürsten und sehr reichen Personen und galt als ein sehr passendes Geschenk für erlauchte Brautpaare. Sogar in den gegen den Luxus gerichteten Gesetzen wurde seiner gedacht, indem ein 1595 in Dresden ergangener Erlass dem gewöhnlichen Volke förmlich den Gebrauch des Taschentuches verbot.

Wenn man noch Taschentücher aus dieser Zeit in Museen oder Raritäten­sammlungen besitzt, so würden diese Reliquien der Kultur in gewissem Sinne auchErinnerungstücher genannt werden können.

3. Das politische Taschentuch. Im Sommer 1898 gelangte bei der Versteigerung von allerhand Kuriositäten und Raritäten auch eine Sammlung alter englischer Zeitungs-Nummern zum Verkauf. Das betreffende Journal ist betiteltDas politische Taschentuch. Dasselbe ist 1831 er­schienen und wurde von seinen Herausgebern, Bartholls, auf gemeinen Baum­wollstoff gedruckt. Letzteres nicht etwa, um etwas besonderes zu bieten, aus Laune, sondern um den Steuern zu entgehen, welche auf dem Zeitungspapier lasteten. Die Sammlung umfasste 144 Nummern, also gerade 12 Dutzend. Damals wurde die Nummer zu 3 Pence verkauft. Der Druck war schlecht, sehr schlecht kamen die Illustrationen zum Ausdruck. Bei der Versteigerung erzielten die Zeitungen einen Preis von 6880 Mark.

4. Englisches Erinnerungstuch. Am 30. November 1895. Branden- burgia IV. S. 269 legte ich ein aus dem 18. Jahrhundert stammendes von W. Scherwin schön gezeichnetes Erinnerungstuch vor, auf welchen in dem Dorf Dunnow (oder Dunmow) in Essex ein ältliches Ehepaar im Triumph durchs Dorf getragen wird, voran wie ein Banner, ein an einer Stange be- festiger Schinken Näheres über den zugrunde liegenden Brauch vermochte ich nicht anzugeben; inzwischen ist es mir aber gelungen, der Sache auf den Grund zu kommen Es besteht nämlich noch jetzt eine durch das Her­kommen geheiligte löbliche Gepflogenheit in dem alten gemütlichen kleinen Städtchen Dunmow. Jährlich am ersten Tage des August wird denjenigen Ehepaaren, welche von sich sagen können, dass sie ein Jahr in vollendetem Frieden gelebt haben, ohne dass ein Wort des Haders vorgekommen ist, eine Speckseite als Belohnung gegeben. Die Bewerber um den Preis haben sich einem strengen Kreuzverhör vor einer aus Junggesellen und Jungfern be­stehenden Jury zu unterwerfen. Die Sitte ist uralt. Im Jahre 1229 ritt Robert Fitzwalter, ein Baron von Essex und ein Sohn des berühmten Fitz­walter, welcher der Führer der Barone war, die den König Johann ohne Land zwangen, die Magna Charta in Runnymede zu unterzeichnen, nach Dunmow. Dort verliebte er sich in ein Mädchen und heiratete es. Im fol­genden Jahre, gerade an seinem Hochzeitstage erkrankte er und starb am nächsten Tage. Auf seinem Totenbette sah er eine Speckseite an der Wand