Heft 
(1903) 12
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17. (8. ordentliche) Versammlung des XI. Vereins]ahres.

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wo der bezwungene Boabdil zum letzten Male nach seinem verlorenen Königreich Granada herabschaute und die noch heutel ultimo sospiro del Moro, der letzte Seufzer des Mauren heisst, sich an dem Anblick der wogenden Maisfelder in der Vega von Granada erfreute. Das war 1492, als die Karavelen des Christoph Kolumbus sich im Welt­meer auf der ersten Fahrt nach Amerika schaukelten.

Noch verwegener ist der allerdings gern überkühue Romantiker Victor Hugo, der in seinem Geschichtsroman Notredame (Bd. III, Kap. 3) diehistoire d une galette au levain de mais erzählt und Hefenkuchen ans Maismehl nach Paris in die Zeit um 1470 versetzt.

Ebenso greulich sind die chronologischen und geographischen Schnitzer, die man hinsichtlich der amerikanischen Tierwelt bei unseren Schriftstellern viel verbreitet findet. Auch hier müssen die Türken wieder herhalten; die stattliche, grosse, glänzend grün-schwarz gefiederte Ente mit den leuchtend roten Fleischlappen über dem Schnabel­ansatz, Anas moschata, heisst Türkische Ente, sie stammt aber aus Brasilien. Das Meerschweinchen (Cavia cobaya) wird von : den Franzosen Coclion de Barberie oder Cochon d Inde, von den Engländern Gninea-pig genannt, dabei stammt es ebenfalls aus Süd­amerika. Indische oder kalikutische Hühner wurden die nicht minder von Amerika zu uns gebrachten Puten oder Truthühner lange | Zeit hindurch bezeichnet. Ich verweise hierbei auf das, was ich unter 5 der Überschrift:Truthahn und Perlhuhn Brandenburgia VI, S. 522 i bis 52(1 mitgeteilt habe.

J Noch viel seltsamer mutet es an, w T enn Schriftsteller altheimische 1 Pflanzen bei uns als solche nicht anerkennen wollen. So Felix Dahn in seiner Erzählung, welche die vielgefeierte blondgelockte Alemannen- Jmaid Bissula betrifft*). Ausonius, der Konsul (Ober-Präsident) Galliens Sund Dichter hatte sich bekanntlich in die von ihm gefangene Bissula 3verliebt. Dahn schildert dieselbe keineswegs als eine Barbarin, und ihr Gehöft, das man sich unweit des Bodensees nahe dem badischen oder jjwürttembergischen Ufer zu denken hat, wird als ein wohlgehaltenes

*) Bissula, jenseits des frostigen Rheins gezeugt und erzogen,

9 Bissula, die Du erblüht, nah des Danubius Quell:

S Einst gefangen im Krieg ist Siegerin sie in der Liebe,

fl Hohe Wonne für den, welchem zur Beute sie ward,

fl Römerin so durch Bande der Freundschaft bleibt sie Germanin,

fl Blieb doch des Auges Blau, blieb doch das rötliche Haar,

Zwiefach erscheinst Du uns jetzt, denn es schmücken mit doppelter Anmut Latiums Sprache den Geist, suebischer Reiz die Gestalt.

Ausonius, der Dichter der Mosella, von dem diese Distichen herrühren, an­scheinend Christ, scheint die Bissula rite zu seiner Gattin erhoben zu haben. Bei Dahn wird sie fein und zierlich, bei George Taylor (Adolf Hausrath) in seiner Jetta (Lpz. 1884) S. 198 etwas unbändiger geschildert.

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