Heft 
(1903) 12
Seite
72
Einzelbild herunterladen

72

17. (8. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres.

über Stettin nach Memel gerettet. Auch die in der Garnisonkirche auf bewahrten Siegestrophäen und vermutlich auch alte preussische Fahnen aus dem Zeughause waren bereits auf Wagen geladen und in der Fort­führung begriffen. Diese wurden aber von den Franzosen abgefangen und sollen dann in der Gegend der Zelten im Tiergarten verbrannt worden sein. Die angegebene Örtlichkeit könnte mit der unseres Fundes stimmen.

XVII. Herr Pastor Passow: Vergessene märkische Grenz­linien in ihrer geschichtlichen Bedeutung.

Altbrandenburgische Geschichte verstehen und gar schreiben wollen ohne die genaueste topographische Orientierung das ist ein Unding. Hätte man diesen Grundsatz zu allen Zeiten hochgehalten, so wären die Versäumnisse. Missverständnisse, Schnitzer und Fehler unmöglich gewesen, die sich in die Darstellung der älteren märkischen Geschichte eingeschlichen haben und die mit einer beinah rührenden Treue immer weiter geschleppt werden, bis auf den heutigen Tag.

Bei dem notorischen, bedauerlichen Mangel an sicheren historischen Zeugnissen über die Germanisierung und Kolonisierung unserer Ileimat- provinz hätte man das reiche Material der Topographie um so gründlicher studieren und verwerten sollen; denn hier sind uns Urkunden gegeben, nicht geschrieben, nicht gedruckt, sondern elementar und unzerstörbar unserem Boden eingeprägt; natürliche Grenzlinien, die selbstverständlich im Flachland nicht Höhenzüge sein können, sondern Luch und Bruch, Sumpf und Moor sind es, die trennen und scheiden. Dieselbe Natur aber, die auf solche Weise kleinere geschlossene Territorien schuf, sorgte auch dafür, dass die genannten Hindernisse nur relative, nicht absolute waren, weil selbst die unwegsamste Niederung irgendwelche Übergänge darbot, ähnlich wie auch Flüsse und Ströme in den Furten ihre natür­lichen Passagen besassen.

Zu der nachweisbar traditionellen Eigenart der Askanier gehörte es, nicht bloss die vorhandenen Grenzen zu respektieren; sie taten ein Weiteres, indem sie künstliche Befestigungen da anlegten, wo die natür­lichen Grenzen versagten oder nicht genügten. Hierdurch ist uns die Möglichkeit gewährt, das Bild des askanischen Okkupationsverfahrens zu rekonstruieren und die Lücken der geschichtlichen Überlieferung einigermassen auszufüllen. Wo in natürlichen Grenzzügen alte Be­festigungen sich finden, ist man zu der Annahme berechtigt, dass diese Linien einmal politische Grenzen waren. Selbstverständlich sind für den vorliegenden Zweck nicht die sogenannten Landwehren, die ganz andere Bedeutung haben, noch gar die slavischen Burgwälle heranzuziehen;