Heft 
(1903) 12
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19. (9. ordentliche) Versammlung des XI. Vereinsjahres. U9

von Bernau und fast ebensoweit westlich von Biesenthal am Abfluss des Liepnitzsees gelegen ist.Der Bauernhof von Fräulein Bartuschs Eltern, sagt Herr Dr. Bartels, lag '/, Stunde vom Dorfe entfernt, und als sie mit 6 Jahren die Schule besuchen sollte, wurde sie die Woche über zu den Eltern ihrer Mutter gegeben, die in Ützdorf selber einen grossen Hof be- sassen. Hier ist dem Herrn Doktor Bartels ein Irrtum untergelaufen. Zu­nächst ist Ützdorf selbst seit Jahrhunderten kein Dorf mehr; sodann wohnten die Eltern keineswegs '/ 3 Stunde von Ützdorf auf einem einzelnen Hofe, sondern in Ützdorf selbst. Der Vater Martin Bartusch lebte dort, wie ich hinzufügen will, in Ützdorf von 178118(58; sein 1838 in Ützdorf geborener Sohn Kobert Bartusch, der Bruder der Bertha Bartusch, übernahm 1866 die Wirtschaft und lebt noch heute dort. Er ist gewiss vielen Berlinern persönlich bekannt, weil er von 188799 das Gasthaus in Ützdorf besass, dagegen wohnten die Grosseltern, das Ehepaar Liesegang, in Prenden, 56 km nördlich von Ützdorf, bezw. von Lanke. Dorthin also müssen wir den Schauplatz der Er­zählung verlegen. Auch gewisse kleine Züge des Bildes lassen dem Ein­geweihten erkennen, dass es sich nicht um Ützdorfer Spinnstuben, sondern um lrendener handelt. In Prenden sassen die Spinnerinnen um den Ofen herum, in Ützdorf aber gruppierte man sich in den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch um den altehrwürdigen Kamin, wie mir mein alter Freund Kobert Bartusch oft erzählte. Grossvater und Gross­mutter sassen dicht am Kamin und warfen dann und wann einen Kienspan in die Glut, welche das kleine niedrige Zimmer gleichzeitig erwärmte und erleuchtete; denn eine Lampe gabs damals nicht. Wollte jemand im dunklen Nebenzimmer etwas suchen, so nahm er als Leuchter einen Kienspan aus dem Kamin. War draussen oder im Stall noch etwas zu besorgen, so be­diente man sich der grossen scheibenlosen Laterne, deren Seitenteile nur aus durchlöcherten Schwarzblech bestanden.Sehen konnte man eigentlich dabei nichts, sagte Vetter Bartusch,aber sie ging leicht aus.

Auch die Bierbereitung wurde in Ützdorf selbst etwas anders betrieben, als Herr Dr. Bartels sie im vierten Abschnitt schildert. Das selbstbereitete Bier, dasDrinken, soll einen recht angenehmen Geschmack gehabt haben. Mein alter Freund, der es doch selber getrunken hat, war hierin etwas ab­weichender Meinung, und wenn ich die Darstellungsweise in Betracht ziehe, kommt mir seine Aussage doch etwas wahrscheinlicher vor, als die seiner Schwester: denn dasDrinken wurde nach Dr. Bartels nur aus Hopfen­zapfen, Zucker Bärm e und Mohrrüben gemacht.Hoffen wir, fuhr Herr Dr. Bartels fort,dass in dem Biere auch noch Gerste gewesen ist! Dieser Annahme muss ich leider widersprechen. Das ÜtzdorferDrinken wurde ländlich, schändlich wie eine Tasse Kaffee in einem märkischen Dorf­krug ohne Bohnen unter gänzlicher Nichtbenutzung von Gerste, ja auch ohne Hopfen hergestellt. In Ützdorf liess man den mit Wasser verdünnten Mohrrübensaft, nachdem man ihn mit Braunbier, aus Biesenthal in einer Kruk e bezogen, übergossen hatte, einige Tage gären. Über den Geschmack ist nicht zu streiten; aber ich möchte denn doch diesen Göttertrank lieber den Antialkoholikern gönnen als mir selbst. In Prenden war das also schon etwas besser.