Heft 
(1903) 12
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1. (1. ausserordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

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in dein Augenblick, wo das im Fernrohr entstehende Bildchen des Sternes, dessen Durchgangszeit durch den Meridian zu bestimmen ist, einen der Spinnwebenfäden passiert, vom Beobachter ein elektrisches Signal auf einen sehr gleichmässig abrollenden Morsestreifen gegeben wird, auf dem eine sehr gleichmässig gehende Uhr ihrerseits zugleich alle Sekunden eine Marke macht. Später kann auf diesem Morsestreifen die auf solche Art notierte Zeit abgelesen bezw. abgemessen werden. Die gegenwärtig erreichte höchste Genauigkeit der Zeitmessung ist etwa ein Hundertstel der Sekunde. Vielleicht gelingt es noch mit Hilfe der Photographie oder direkter elektrischer Wirkung durch das Licht des Sternbildchens, unter Beseitigung der etwas veränderlichen Aktion der Beobachter, bis zu einem Tausendstel der Sekunde zu kommen, eine Genauigkeit in der Zeitmessung, die ebenso in der physikalischen Tech­nik als in der Astromonie Bedeutung haben würde, namentlich auch in Betreff der noch feineren Kritik des Gesetzes der Drehung der Erde, die unsere genaueste Uhr bildet. Durch eine selbsttätige Aufzeichnung der Durchgangszeiten der Sterne würden die noch merklichen Unsicher­heiten auszuschalten sein, die in den verschiedenen Geschwindigkeiten liegen, womit die Wahrnehmung des Auges auf dem Wege über das Gehirn an die Fingermuskeln übertragen wird, welche das Signal auf den Morsestreifen bringen. Mit wie grossen Feinheiten bei dieser Beob­achtung zu rechnen ist, davon erzählte Geh. R. F. ein Beispiel: Der acht Meter hohe Grundpfeiler, auf welchem die beiden steinernen Pfeiler stehen, worauf das Meridianinstrument ruht, erleidet (obgleich er keine direkten Sonnenstrahlen empfängt) wie die seit dem Bestehen der Stern­warte fortgesetzten Beobachtungsreihen ergeben haben in verschiedenen Jahren deutlich verschiedene Gestalt- und Lagen-Äuderungen durch die eindringenden Temperatur-Wirkungen, und die stärksten Wirkungen dieser Art kommen immer 12 Jahre nach dem Sonuenfleken-Maximum zur Erscheinung.

In dem an der Nordseite der Sternwarte gelegenen Beobachtungs- zimmer wurde dann ein Instrument vorgeführt, welches von dem so­eben gesehenen abweichend die Beobachtung nicht bloss im Meridian, sondern nach allen Seiten hin gestattet, also gleich dem in der Kuppel befindlichen, grossen Reflektor von universeller Beweglichkeit und Ein- stellungsfähigkeit ist. Aus diesem Raume sind in den letzten beiden Jahrzehnten die wichtigen Endeckungen von periodischen Schwankungen der Lage der Erdachse im Erdkörper hervorgegangen, die sich aus einer jährlichen und einer vierzehnmonatlichen Periode zusammensetzen. Diesen beiden Perioden gesellt sich dann noch eine dritte, 67 jährige, aus der Coincidenz der beiden kleineren hinzu. Die jährliche Periode hängt anscheinend mit der verschieden verteilten Last von Schnee und Eis in den verschiedenen Jahreszeiten und Erdflächen und den Zir-

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