3. (1. ordentliche) Versammlung des XII. Vereins]ahres.
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die Dichtung behandelt, die Tatsache, dass der General Prinz Friedrich von Homburg gegen den ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten zu früh angriff, ist unwirklich und somit natürlich auch der Konflikt selbst unhistorisch.
Wir wissen auch, wie und durch wen diese sagenhafte Darstellung der Schlacht bei Fehrbellin in die Literatur Eintritt gewann.
Die grossen historischen Werke, die sich mit dem Ereignis zuerst und zum Teil kurz, nachdem es geschehen war, befassen: Des verwirrten Europa Continuation (Amsterdam 1680), das Meriansche Theatrum Enropaenm XL Teil (Frankfurt a. M. 1682) und Pufen- dorfs Buch Res gestae Friederici Wilhelmi Magni (Berlin 1695), alle diese Werke erwähnen nichts von einem Gebot des Kurfürsten an den Prinzen, nicht eher anzugreifen, als bis er den Befehl dazu von ihm erhalte. Der erste Geschichtsschreiber, der ähnliches berichtet, ist Friedrich der Grosse, der in seinem Werk Memoires pour servir ä Thistoire de la maison de Brandebourg (Berlin 1751) auch auf den Sieg von Fehrbellin zu sprechen kommt und dabei wie jene Sage, so auch eine einzelne Begebenheit der Schlacht, die ebenfalls ins Reich der Fabel verwiesen ist, vorträgt. Es ist die oft besungene und auch von Kleist in dem Drama verwertete Episode vom Opfertode des Stallmeisters Froben, der dadurch herbeigeführt sein soll, dass er den Kurfürsten nach lange vergeblichem Bitten endlich bewog, seinen von den Schweden in auffälliger Weise zum Ziel genommenen Schimmel mit dem von ihm gerittenen Pferde zu vertauschen. Kaum war der Wechsel der Rosse vollzogen, so streckte eine feindliche Kugel den treuen Diener nieder.
Woher Friedrich der Grosse die Kenntnis dieser beiden Sagen geschöpft hat, steht bis jetzt nicht fest. Vielleicht hat, er für seine Darstellung die Memoiren des Baron v. Pöllnitz (Memoires pour servir ä Thistoire des quatre derniers souverains de la maison de Brandebourg, royale de Prusse) benutzt. Sie sind zwar erst vierzig Jahre nach dem Buche des Königs im Druck erschienen (Berlin 1791), können ihm aber in einer älteren Gestalt im Manuskript Vorgelegen haben. (IT. v. Gansauge, Veranlassung und Geschichte des Krieges in der Mark Brandenburg im Jahre 1675, Berlin 1834 S. 90. v. Witzleben, Fehrbellin, Zum zweihundertjährigen Gedenktage, Berlin 1875 Beilagen S. 69). Einige Momente der Übereinstimmung seiner Darstellung mit der Relation seines einstigen Kammerherrn — denn das war der Baron v. Pöllnitz — legen die Annahme nahe. Historiker wie Ranke (Sämtl. Werke. Zweite Gesamtausgabe Bd. 28, 605) und Droysen (Gesell, der Preuss. Politik, IV, 4. S. 170) meinen dagegen, dass umgekehrt Friedrichs Schrift von Pöllnitz benutzt worden sei. Vielleicht aber hat der König die Sagen unmittelbar aus dem Volksmund vernommen und, indem er sie für geschichtliche Tatsachen hielt, für seine Zwecke verwertet. Schon als Kronprinz hatte