8. (1. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.
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Der Verfasser erzählt nämlich wörtlich nach Friedrich dem Grossen, dass „Friedrich Wilhelm die Avantgarde von 1600 Mann dem Landgrafen von Homburg mit dem Befehl vertraute, sich mit dem Feinde in nichts Ernstliches einzulassen, sondern ihn nur zu beobachten.“ Und weiter: „Der Landgraf voll kühnen Mutes beginnt ein Gefecht, das üble Folgen gehabt haben würde, wenn nicht der Kurfürst, von der Gefahr unterrichtet, ihm noch zeitig zur Hülfe gekommen wäre.“ Damit sind aber für ihn die Beziehungen zwischen dem Oberbefehlshaber und Friedrich von Homburg erledigt. Friedrich d. Gr. berichtete am Schlüsse noch, dass sein Vorfahr es dem Prinzen verzieh, dass er durch seinen Leichtsinn das Schicksal des ganzen Staates aufs Spiel gesetzt habe, und lässt ihn zu ihm sagen: „Wenn ich nach der Stoenge der militärischen Gesetze urteilen wollte, würden Sie den Tod verdient haben. Aber Gott verhüte, dass icli den Glanz eines so glücklichen Tages dadurch trübe, dass icli das Blut eines Fürsten vergiesse, der mit am meisten zum Siege beigetragen hat.“ Diesen Passus überging der skeptische Verfasser, der auch den Opfertod Frobens zwar erzählt, aber doch nach König (oben S. 9) eine Dichtung nennt, so dass der eigentliche Konflikt bei ihm nicht herausgearbeitet ist. Kleist kann demnach in seinem Büchlein nicht die Anregung zur dichterischen Behandlung des Vorfalles gefunden, aber auch nicht aus ihm allein die historische Information geschöpft haben. Denn mancherlei Tatsächliches, das in dem Drama vorkommt und, wie ich gezeigt habe, literarischen Ursprunges ist, fehlt hier. So ausser dem schon erwähnten Dankgottesdienst das Vorpostengefecht (oben S. 182), die dem Oberst Hennings zugevviesene Aufgabe (oben S. 182), und die Niedermetzelung der Schweden in den Sümpfen (oben S. 182 f.)
Meinem Freunde Max Morris verdanke ich den Hinweis, dass Kleist sich am 9. Januar 1809 von der Bibliothek in Dresden, wo er sich damals aufhielt, ein Buch entlieh, das der preussische Feldprediger K. II. Krause verfasst hatte und das den Titel führte: Mein Vaterland unter den hohenzollerischen Regenten. Ein Lesebuch für Freunde der Geschichte. Halle 1808. Die Darstellung, die hier von der Schlacht bei Fehrbellin gegeben wird, ist wieder von der Friedrichs des Grossen abhängig. Sie enthält auch den eben erwähnten von dem anonymen Verfasser unterdrückten Passus. Dennoch haben wir auch in ihr nicht die eigentliche Quelle der Dichtung vor uns. Das wird schon aus den paar Momenten deutlich, dass Hackenberg oder Hackelberg gar nicht erwähnt, auch nichts von dem Abstecher des Kurfürsten nach Berlin und dem Dankgottesdienst gesagt wird und der brandenburgische Feldmarschall Derflinger, nicht Dörfling heisst.
Also scheint es nicht möglich, ein einzelnes literarisches Werk aufzuspüren, das Kleist für seine Dichtung als Vorlage gedient habe.