Heft 
(1903) 12
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Dr. Max Fiebelkorn, Die Tone des norddeutschen Flachlandes etc.

Allmählich stieg jedoch aus einem uns wieder nicht bekannten Grunde die mittlere Jahrestemperatur; die Eismassen kamen zur Ab­schmelzung und die Gletscher zogen sich über die Ost- und Nordsee auf die Höhen Skandinaviens zurück. Das norddeutsche Flachland wurde vom Eise frei. Den zurückgehenden Gletschermassen folgten die während der ersten Eiszeit nach Süden gedrängten grossen Säugetiere und mit ihnen auch der Mensch, dessen erste Spuren im norddeutschen Flachlande in Schichten gefunden sind, die jener Zeit ihren Ursprung verdanken. Es begann jetzt die Zwischeneiszeit oder Interglazialzeit. In ihr hatten die Ströme und Bäche Gelegenheit, das Land zu durch­furchen und in Kies- und Geröllbänken Spuren ihrer Tätigkeit zurück­zulassen. Zahlreiche Tiere bevölkerten damals das norddeutsche Flachland, darunter das Mammut (Fig. 1), das Rhinoceros, der Bison, der Riesen­hirsch (Fig. 2), der Auerochse, der Wolf, der Bär und andere. Knochen­reste von diesen Tieren sind uns in Menge erhalten geblieben in den Kies- und Grandablagerungen, welche ein Dorado für die Geschiebe­sammler bilden, so z. B. in Rixdorf. Wer von Ihnen wäre noch nicht im Märkischen Museum gewesen und hätte seine Freude an den schönen Funden aus der Zwischeneiszeit gehabt, die das Museum der Liebens­würdigkeit des Herrn Kiesgrubenbesitzers Körner verdankt?

Auch in der Zwischeneiszeit sind Tonlager entstanden, je nachdem den Flüssen Gelegenheit geboten wurde, den feinen von ihnen mit­gebrachten Abhub zum Absätze zu bringen.

Zum zweiten Male*) sank die Durchschnittstemperatur Nord-Europas und wiederum drangen die Gletscher von Skandinavien aus nach Süden vor. Von neuem wurde unser norddeutsches Flachland mit Eismassen bedeckt, die Geschiebemergel in bedeutender Mächtigkeit unter sich fort­führten. Auf die Gebilde der Zwischeneiszeit legte sich jetzt die zweite Grundmoräne, in der Ausbildung und dem Aussehen der Grundmoräne der ersten Eiszeit vollkommen gleich.

Aber auch dieses Eis konnte seinen Platz nicht behaupten. Nach Verlauf vieler Jahre zum Abschmelzen gezwungen, zog es sich, diesmal endgiltig, zurück und nunmehr wurde das norddeutsche Flachland dauernd von den Gletschermassen frei.

Jetzt begannen die Atmosphärilien auf die Gebilde der Eiszeit zerstörend einzuwirken. Naturgemäss erlag ihrem verderblichen Ein­flüsse zunächst der Geschiebemergel der zweiten Eiszeit, welcher die oberste Ablagerung bildete. Die Sickerwässer drangen von oben in die Grundmoräne ein. Sie verwandelten die in ihr enthaltenen Eisenoxydul-

*) Ich habe mich in meinem Vortrage der jetzt noch allgemein herrschenden Ansicht einer zweimaligen Vereisung angeschlossen. Meiner persönlichen Überzeugung nach hat es weder zwei, noch drei oder gar vier bis sieben Eiszeiten, sondern nur eine einzige gegeben. Die Zukunft wird entscheiden, welche Ansicht zutreffend ist.