Heft 
(1903) 12
Seite
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9. (8. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

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Volks- und Heimatkunde hat durch den Tod dieses Altmeisters einen herben Verlust erlitten. Er ist am Tage vor seinem 92. Geburtstage gestorben.

v. Hefner-Alteneck wurde am 20. Mai 1811 in Aschaffenburg ge­boren. Im Jahre 1835 wurde er Professor der Zeichnungskunde. Im Jahre 1853 übernahm er die Leitung der Münchener Kunstsammlungen, 1868 die Aufsicht über alle Kunstdenkmäler Bayerns und die Leitung des Nationalmuseums.

Seine Hauptwerke sind:Trachten des christlichen Mittelalters (184054);Kunstwerke und Gerätschaften des Mittelalters und der Re­naissance (184862). Ausserdem sind mehrere grosse Spezialwerke von ihm erschienen, zuletzt im Jahre 1890:Deutsche Goldschmiedewerke des 16. Jahrhunderts.'

Die Zeit geht schnell. Noch vor ganz wenigen Jahren hätte man nicht einen Augenblick gezögert, das Wirken Hefner-Altenecks rück­haltlos als ein hoch verdienstvolles zu preisen. Damals galt die Bieder­meier- und Mahagonizeit als dieschreckliche, die neue Renaissance, die mit der Nachahmung derWerke der Väter begonnen hatte, als Stolz der deutschen Gegenwart. Diese Renaissance hatte Hefner-Alteneck heraufführen helfen. Nachdem man in der ersten Hälfte des Jahr­hunderts von den mehr handwerklichen Arbeiten der alten deutschen Meister, von den Trachten und den Hausrat der grossen Epoche nur ganz ungefähre Vorstellungen gehabt hatte, begründete als erster und fast einziger Hefner-Alteneck das Wissen von der angewandten Kunst im Mittelalter und der Renaissance in Deutschland. Das bayerische Nationalmuseum, an dessen Spitze er stand, war die erste kunstgewerb­liche Sammlung in Deutschland, die den Handwerkern die alten Arbeiten als Muster zeigte. Von München aus nahm die neue Renaissance ihren Lauf durch ganz Deutschland. Überall entstanden Kunstgewerbemuseen, überall begannen die Handwerker, in diesem Sinne sich zu bilden. Wir denken heute kühler über diese Renaissance. Wir finden, dass sie eine werdende bürgerliche Kultur zerstört und in unser ganzes Bauen und Wohnen einen falschen Zug, einen unbürgerlichen Prunk hineingebracht hat. Wir ziehen dieschreckliche Zeit vor. Deshalb machen wir eine Klausel, wenn wir Hefner-Alteneck preisen. Seine Forschungen und seine Werke natürlich behalten ihren ungemeinen Wert als Grundlage unseres Wissens von denWerken der Väter. Auch die praktischen Konsequenzen seines Forschens haben ihre grosse Bedeutung, lehrten doch diese Werke viele verlorene Techniken und hoben das Handwerk. Nur sehen wir in dieser neuen Renaissance nicht mehr das letzte Ziel unseres Kunstgewerbes, sondern nur noch eine Episode, die schon im Verschwinden ist, und der man nicht viel Tränen nachweint. Die Zeit