Heft 
(1903) 12
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10. (7. ausserordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

Ansiedlung genannten Stadt Berlin das Gelände als Eigentum, das sich an der Ostseite der heutigen Klosterstrasse von der Königstrasse über den Klosterkirchhof hinaus erstreckte. Einen Teil dieses Geländes schenkten die Markgrafen 1271 den grauen Mönchen des Franzikaner- Ordens als Platz zur Erbauung eines Klosters und einer Kirche. Mit Hilfe weiterer Schenkungen von verschiedenen Seiten entstanden Kloster und Kirche bis 1290. Die Klostergebäude lagen zu beiden Seiten des Kirchhofes, das Hauptgebäude nördlich von der Kirche, zwei Flügel und einen Mittelbau bildend. Zwischen diesen Flügeln, wovon der eine die Stelle des im letzten Jahrhundert erst erbauten Direktoriäl-Gebäudes einnahm, der andere mit der Giebelfront an der Klosterstrasse im wesentlichen, wenn auch später umgebaut, heute noch vorhanden ist, lag der Klostergarten, innen abgeschlossen durch den Mittelbau, von dem ein nicht mehr vorhandener Kreuzgang nach der Kirche führte. Dieser Mittelbau, der genau 200 Jahre nach der Klostergründung 1471, also vielleicht zu deren Feier, einen äusserst solid ausgeführten Umbau erfuhr, enthielt zu ebener Erde das Refektorium und darüber den Kapitel­saal. Beide zu Spitzbogen gewölbten Räume bestehen in unveränderter Gestalt heute noch und werden seit 1826, wo sie der Anstalt geschenkt wurden, als Gesangsaal, bezw. als Empfangs- und Vorraum zu der im ersten Stockwerk gelegenen Aula benutzt. Ihre Entstellung im genannten Jahr 1471 ist durch lateinische Inschriften beglaubigt. Einen weiteren umfänglichen Bau nahmen die Mönche 1516 mit dem nördlichen Flügel vor. Das Erdgeschoss dieses Bauteiles, das heute noch in der Gestalt besteht, die ihm damals gegeben wurde und dessen früher ausgedehnte Räume in Klassenzimmer abgeteilt sind, zeigt prächtige, wohlerhaltene Sterngewölbe. Mit der Einführung der Reformation in der Mark Branden­burg 1539 wurde auch das Franziskaner-Kloster säkularisiert, aber vom Landesherrn bestimmt, dass über den Grund des eigentlichen Klosters erst nach dem Tode des letzten Mönches verfügt werden solle. Dieser Fall trat 1571 oder 1572 ein, als letzter starb der Bruder Peter. Unter einer grossen Anzahl von Bewerbern um das nunmehr frei gewordene Kloster gab Kurfürst Johann Georg auf dringende Befürwortung seines Kanzlers Lamprecht Distelmeyer der Bitte des Rates von Berlin Gehör und überliess grosse Teile des Grundstückes der Stadt zur Anlage einer Gelehrten-Schule. Am 24. Februar 1574 erschien die Genehmigung, so- dass bereits am 13. Juli 1574 die Eröffnung des Gymnasiums erfolgen konnte. Die Geschichte desselben berichtet von vielen Heimsuchungen durch Feindseligkeiten, namentlich seitens der Kirche, welche dem Gym­nasium nicht wohlwollte, von finanziellen Nöten und harten Bedrängnissen der schlecht besoldeten Lehrer. Erst die Stiftung eines dankbaren ehe­maligen Schülers der Anstalt, Sigismund Streit, der 1775 in Venedig als reicher Kaufherr starb, verbesserte die Lage des Gymnasiums beträchtlich.