Heft 
(1903) 12
Seite
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10. (7. ausserordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

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Das Kapital der Streit-Stiftung beträgt zur Zeit etwa 750,000 Mark. Einen Teil des Vermächtnisses bildet auch die von Streit zusammenge­brachte Kunstsammlung, wovon noch zu berichten bleibt. Dem Gym­nasium war s. Z., wie schon erzählt, nur ein Teil des ganzen Kloster­grundstückes geschenkt worden. Ausser dem südlich der Kirche ge­legenen Grundstück Klosterstr. 73 war auch der Mittelbau und der hinter dem Hauptgebäude nach der Neuen Friedrichstr. zu gelegene un­bebaute Teil abgezweigt worden. Diese beiden Teile schenkte König Friedrich Wilhelm III 1819 und 1826 dem Gymnasium zum Zweck einer dringend notwendig gewordenen Erweiterung. Der lange ersehnte Neu­bau entstand in den folgenden Jahren durch Aufsetzung eines Stock­werkes auf den oben beschriebenen 1519 neugebauten nördlichen Flügel und durch Verlängerung desselben in der Richtung nach der Neuen Friedrichstrasse. In diesem Neubau fand auch eine schöne Aula ihre Stätte, die nunmehr mit dem schon erwähnten Kapitelsaal in Verbindung gesetzt wurde. Als in dieser Aula zum ersten Male Ostern 1832 durch Direktor Ranke die Abiturienten-Entlassung erfolgte, war unter den Abiturienten Otto von Bismarck, der seit dem 4. Mai 1830, wo er in dieGross-Secunda eintrat, Schüler der Anstalt gewesen war! Doch die Erweiterung der Anstalt genügte sehr bald nicht mehr. Schon 1848 sah man sich zu einem Neubau von grösserer Ausdehnung genötigt. Es wurde der nördliche Flügel ostwärts bis zur Neuen Friedrichstrasse ver­längert und im rechten Winkel umbiegend längs der Strasse fortgesetzt. In den letzten drei Jahren endlich sind Neubauten von recht bedeutenden Abmessungen hinzugekommen, zunächst eine Verlängerung des 1848er Baues an der Neuen Fiiedrichstrasse, dann an derselben Strassenfront eine Turnhalle und an der Südseite des Grundstückes, an Stelle der Klosterstr. 73, ein Neubau, der Sammlungen, Wohnungen und ein Alumnat aufzunehmen bestimmt ist. Im Stil unterscheiden sich die fünf Teile, in welche sich das Berlinische Gymnasium zum grauen Kloster gliedert, sehr charakteristisch nach der verschiedenen auf 450 Jahre verteilten Bauzeit, der grösste Unterschied aber besteht zwischen 1848 und den Bauten der letzten Jahre. Zwischen Gebäuden und Kirche liegt der ge­räumige, mit schattenspendenden Bäumen bestandene Schulhof, Schiller­park genannt, seitdem man am 10. Novbr. 1859 hier eine Schillerlinde gepflanzt hat, die schön herangewaclisen ist.

Recht interessant ist die Einrichtung und der Schmuck der Aula und des sich an sie anschliessenden Lehrer-Konferenz-Zimmers. Denn liier hat zunächst der grösste Teil der Streitschen Kunstsammlungen Platz gefunden, darunter hervoriagend schöne Stadtbilder von Canaletto, Portraits von Nogari u. A. Die Aula enthält ferner ausser einem Bis­marck-Bilde und einer Bismarck-Büste Erinnerungen an Rauch, der als ein Gönner der Anstalt ihr eine Büste Königs Friedrich Wilhelm III.

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