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10. (7. ausserordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.
und das Modell der bekannten schönen Gruppe geschenkt hat, die von der Hand des Künstlers für das Hallesche Waisenhaus geschaffen worden ist. Auch Baurat Cantian schenkte von Bildhauer Callide nach Peter Vischer’schen Vorbildern angefertigte Bilder der Apostel in voller Figur. Nächst den Ölbildern von Sigismund Streit zeigt die Mittelwand der Aula noch die Bilder der Schuldirektoren seit dein Beginn des 19. Jahrhunderts und einiger Schulmonarchen aus früherer Zeit. Unter den ersteren kommt der Name Bellermann zwei Mal vor; denn der Grossvater des gegenwärtigen Direktors, Dr. Johann Joachim Bellermann, war an der Spitze der Anstalt von 1804—1828, der Vater, Dr. Johann Friedrich Bellermann, von 1847—1868. Die Aula des Gymnasiums ist häufig der Schauplatz sehr beachteter dramatischer Aufführungen der Schüler, entsprechend einer ehrwürdigen Tradition dieser Anstalt, die bald nach ihrer Gründung mit solchen Darstellungen begann, freilich zum Missvergnügen der kirchlichen Kreise, welche Anstoss an den Dichtungen des klassischen Altertums nahm und landesfürstliche Verbote erwirkte. Doch der Grosse Kurfürst gab den Schülern die dramatischen Spiele wieder frei. Sie waren häufig patriotisch gehalten und sind als Beginn einer edleren Auffassung der Schauspielkunst in einer Zeit zu betrachten, die vom Theater als Bildungsstätte noch keine rechte Vorstellung besass.
Zum Schluss wurde auch der alten Kirche, die nicht mehr zum Gottesdienste Verwendung findet, ein Besuch gemacht. Sie ist bemerkenswert durch ihre ein halbes Elfeck bildende Apsis und durch die reiche und mannigfaltige Holzschnitzerei der Chorstühle Die Kirche gehörte, wie alle Berliner städtischen protestantischen Kirchen bis zur Union der lutherischen Konfession an. In ihren Grabgewölben ruhen aus katholischer Zeit viele vornehme Adlige, doch sind viele in die Aussen- wände eingesetzte Grabsteine nicht mehr zu entziffern. Nach einer glaubhaften Nachricht von 1574 wurden u. A. hier beigesetzt Markgraf Ludwig der Römer und seine Gemahlin Kunigunde, eine dänische Prinzessin. Auch noch in späterer Zeit fanden hier Beisetzungen statt, wie u. A. ein Epitaph bezeugt, das der bekannte Leibarzt des Kurfürsten Johann Georg, Leonhard Thurneisser, seiner zweiten Gattin errichten liess. — Erwähnenswert erscheint, dass das alte Franziskaner-Kloster hart an der ältesten, mittelalterlichen Stadtmauer Berlins lag, welche ihm als hinterer Abschluss seines Grundstückes diente. Der letzte noch erhaltene Teil dieser ältesten Mauer Berlins befindet sich daher an der Neuen Friedrichstrasse ganz benachbart dem ehemaligen Klosterhofe. Er ist der Betrachtug wert, da voraussichtlich auch seine Tage gezählt sind.
Der Besichtigung des Grauen Klosters sollte die des restaurierten, im frischen Glanz neuen hellen Anstriches prangenden nahen Ratskellers folgen, doch musste der Plan aufgegeben werden, weil die Maler dort noch ihres Amtes walteten. Aber beim Wirte wundermild wusste man Rat