11 . (4. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.
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Über den Krämer enthält die Yoss. Ztg. vom 19. August 1903 folgende Angaben Dr. Albrecht’s: Yom Dorf (Vehlefanz) ging es
am Nachmittage in das Waldrevier des „Krämer“. Bei diesem Spaziergange kam man an dem Weinbei’g vorüber, auf dem im Mittelalter und noch im 17. Jahrhundert Wein — „Vehlefanzer Sandblümchen“ — gebaut wurde, und an der „Riesentrappe“, einem Pfuhl, welcher der Sage nach durch den Fussabdruek eines Riesen entstanden sein soll, als dieser von den Sandbergen bei Vehlefanz nach den Kremmener Bergen hinüberschritt. Bei Vorwerk W olfsl ake wurde „Der Krämer“ erreicht, ein Waldgebiet, das sich in nordwestlicher Richtung von Bötzow und Wansdorf nacli Tietzow und Flatow hinzieht und neben Kiefernbestand vielfach Laubholz, besonders Eichen und Erlen aufweist. Beim Forsthaus Krämerpfuhl wurde eine Stelle besichtigt, wo vor mehreren Jahren Urnen in Steinsetzung gefunden worden sind, doch gestattete das dichte Stangenholz der Schonung keine nähere Untersuchung. Dann begaben die Teilnehmer sich zur „Franzoseneiche“ und zu „Reckins Grab“, zwei Punkten, die in der Volkssage eine gewisse Rolle spielen. Der Förster Reckin soll, so erzählt das Volk, zur Franzosenzeit 1806 aus dem Versteck in der hohlen Eiche viele der vorüberziehenden Franzosen erschossen haben, bis er schliesslich entdeckt und nun von den erbitterten Feinden getötet wurde. Etwa zweihundert Schritt von der Eiche soll er begraben sein, und noch jetzt wirft jeder Vorübergehende einen Zweig oder dürres Reisig auf Reckins Grab „zur Ehrung“ des Verstorbenen. Über Wolfslake kehrten die Mitglieder der Pflegschaft nach Vehlefanz zurück.
In dem Burggarten wurden viele frühmittelalterliche Scherben (.13. und 14. Jahrhundert) schwärzlich hart gebrannt, unglasiert mit Riefen spiralig verziert aufgefunden. (Vergl. S. 348.)
X. Kirchliche Volkskunde. C. Werckshagen schreibt hierüber im „Tag“ vom 30. Sept. 1903: Vor etwa einem Jahrzehnt erschien ein anonymes Buch eines Thüringer Dorfgeistlichen: „Zur bäuerlichen
Glaubens- und Sittenlehre“, welches eine gewisse Sensation erregte durch den Nachweis, dass die religiöse und sittliche Gedankenwelt der einfachen Leute auf dem Lande in vielen Dingen gar sehr von ihren offiziellen kirchlichen Meinungen abweicht. Es war dieses Buch vielleicht der erste Baustein zu einer neuen Sonderwissenschaft, die sich religiöse Volkskunde nennt. Der Verfasser war Pfarrer Hermann Gebhardt in Molschleben, der hernach durch den theologischen Doktortitel ausgezeichnet wurde. Jetzt ist es eine Thüringer Kirchenbehörde, der weimarische Oberkirchenrat, der, von dem gleichen Interesse wie D. Gebhardt geleitet, die Geistlichkeit zur Mitarbeit an der religiösen Volkskunde auttordert. Nach einer Verfügung dieser Behörde sind die Geistlichen des Grossherzogtums angewiesen worden, so weit wie