11. (4. ordentliche) Versammlung des XU. Vereinsjahres.
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weihungen, Enthüllungen u. s. w. Wir blättern heute achtlos darüber weg, aber es wird die Zeit kommen, wo derartige Aufnahmen für den Historiker, für den Kulturhistoriker einen grossen Wert bekommen, und dann wird es ihm schwer halten, das Material für seine Arbeiten wieder zu finden, das dann in alle Winde zerstreut sein wird.
Die Sammlung derartiger Bilder müsste daher seitens der Vereine ganz systematisch betrieben werden, und neben der Bibliothek müsste ein photographisches Archiv bestehen, als wertvolle Ergänzung des Werkes durch das Bild.
So wie der Amateur-Photograph helfen soll, wo es sich um die Aufnahme von Landschaften, Architekturen u. s. w. handelt, so wird bei diesem Archiv auf die Mithilfe jener Fachphotographen zu rechnen sein, deren besondere Spezialität die Aufnahme historischer Momente ist. Ich bin überzeugt, dass sie sich gern bereit finden werden, je eins ihrer Bilder einem „Archiv für historische Photographie“ — so möchte ich, es nennen — einzuverleiben.
Aber auch hierbei möchte ich nicht stehen bleiben.
Auch die kinematographische Aufnahme, die Grammophon-Platte müsste in einem derartigen Archiv ihren Platz finden, denn, was der geniale Physiker Helmholtz bei der Erfindung des Phonographen voraussagte, es würde die Zeit kommen, wo man die Stimme des Menschen förmlich auf Flaschen ziehen wird, das hat sich bereits jetzt im gewissen Sinne erfüllt: Wir erhalten uns der Nachwelt in unserem Tun und
Treiben, in unserem Handeln durch den Kinematographien und durch das Grammophon, und wenn wir nicht mehr sein werden, wird die Nachwelt imstande sein, noch unsere Stimme zu hören und zu sehen, wie wir uns bewegten, denn die Verbindung des Kinematographen mit dem Grammophon ist ja die letzte Erfindung auf diesem Gebiete.
Ein derartiges Phonogramm-Archiv für die Musik als Tonkunst ist z. B. in Wien seitens der dortigen Akademie der Wissenschaften gegründet worden, und es gereicht dieser Akademie durchaus zur Ehre, dass sie die Bedeutung des Phonogramms für die Wissenschaft nicht nur erkannt, sondern auch sogleich Schritte getan hat, die Erfindung wissenschaftlich zu verwerten.
Und was für die Musik gilt, das gilt auch für die Sprache, für das Lied, und wir sollten nicht zögern, auch auf landeskundlichen Gebieten ähnliche Phonogramm - Archive anzulegen, welche ihrerseits wieder das Kinematogramm-Archiv und beide wiederum das Archiv für historische Photographie ergänzen.
Vielleicht trägt diese kleine Anregung dazu bei, dass die nötigen Schritte unternommen werden, ehe es zu spät ist.
XIV. Herr Prof. Dr. Krüner: Berlin und die Universität Frankfurt a. 0. (im Auszug). Auf dem Wormser Reichstage 1495
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