Heft 
(1903) 12
Seite
398
Einzelbild herunterladen

398 13. (5. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

zu bemerken, dass der künstlerische Wert und der Reiz eines Gebäudes nicht etwa durch kostbares Material, reiche Gliederung der Formen und durch auswendigen Flächenschmuck erreicht wird, dass sich vielmehr durch sachkundige Behandlung und Anlehnung an alte gute Vorbilder mit den sparsamsten Mitteln gute Erfolge erzielen lassen. Bei ungegliederten Wänden aus unansehnlichem Baustoff, wie Schiefergestein, Schwemmsteinen oder Feldbrand- und Hintermauerungsziegeln ist vielfach ein Verputz ratsam; namentlich ist darauf hinzuwirken, dass das Schwemmsteinmaterial wegen seiner geradezu verletzenden Wirkung in farblicher Hinsicht möglichst wenig in die Erscheinung tritt. Auch geeigneter Anstrich des Putzes, verschiedenartige Färbung der Mauerflächen, Fensterumrahmungen und Fensterläden wird dazu beitragen, die Fassaden wirksamer und malerischer zu gestalten.

Durch geschicktes Angliedern von Türmchen, Erkern, Vermeiden flacher Dächer, Bevorzugung des heimischen, für die Landschaft charak­teristischen Schiefers, Anbringen von Dachgaupen, malerische Gruppierung der Dächer, durch die Anordnung von Freitreppen und Vorlauben lässt sich ohne grossen Mehrkostenaufwand leicht ein gefälliges Aussehen erzielen. Der verhältnismässig billigere Fachwerkbau verdient, soweit er baupolizeilich zulässig ist, wieder eine grössere Berücksichtigung entweder als reiner Fachwerkbau oder in Verbindung mit massiven Bauteilen. Irgend eines dieser Mittel wird bei kleineren Bauten meist genügen . . .

Selbstverständlich sollen, worauf ausdrücklich hinzuweisen ist, für die Mitwirkung der diesseitigen bautechnischen Organe den Bauherren keine Kosten entstehen.

Im Anschlüsse an diese Verfügung hat der Regierungspräsident zu Trier, in dessen Bereich die an charakteristischen Landschaftsbildern besonders reichen Thäler der Mosel, Saar, Sauer, Nahe und Kyll liegen, Anfang 1902 die ihm unterstellten Behörden gleichfalls angewiesen nach Kräften in dieser Richtung zu wirken, besonders bei den seitens der Kreise, der Civil- und Kirchengemeinden zu errichtenden Bauten und Unter­nehmungen, für welche staatliche oder provinzielle Beihilfen erbeten werden.

Auf Anregung des Vereins von Kunstfreunden in Lübeck hat die neue Bauordnung für Lübeck und Vororte am 25. Juni 1903 Anordnungen erlassen, worin folgendes bestimmt wird.

Neu-, An- und Umbauten sowie sonstige neu herzustellende bauliche Anlagen müssen an allen von öffentlichen Verkehrswegen und Plätzen aus sichtbaren Seiten architektonisch so ausgebildet werden, dass sie weder das Strassenbild oder die landschaftliche Umgebung verunstalten, noch die Erscheinung vorhandener, insbesondere historischer Bauten wesentlich beeinträchtigen, undReklameschilder, Aufschriften und sonstige Vor­richtungen zu Reklamezwecken, sowie Bemalungen, welche das Strassenbild oder die landschaftliche Umgebung verunstalten oder die Erscheinung vorhandener, insbesondere historischer Bauten wesentlich beeinträchtigen, sind untersagt.