Heft 
(1903) 12
Seite
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13. (5. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres. 417

für den es errichtet ist, oder wenn es sich selbst Zweck geworden sei. Während er für Bauten der ersten Art weitgehende Umgestaltungen zulässt, fordert er, dass Ruinen als Ruinen erhalten werden sollen.

Caroe geht mit Frankreich, Spanien und Skandinavien scharf ins Gewicht. Einige wenige Beispiele seien erwähnt.

An der Kathedrale zu Angouleme findet sich kein alter Stein mehr, die zu Leon ist ganz umgebaut, Upsala ist ein neues Werk geworden, S. Front in Perigueux seiner Geschichte beraubt, Albi und Mont St. Michel restauriert und nun im Begriff, nochmals, angeblich richtiger, restauriert zu werden. Die französische Regierung scheint nicht zu wissen, was sie mit ihrem Gelde anfangen soll. Der wunder­volle Kreuzgang von St. Gregorio in Valladolid ist durch Umbau zerstört, Wisby nach dem Geschmack eines talentvollen modernen Architekten umgestaltet, Trondjem und Stavanger neu überarbeitet, Federiksborg durch einen Bierbrauer restauriert, sodass es einer Bier­stube (public bar) nicht unähnlich sieht.

Und Deutschland! fährt Caroe fort.Die Restaurierungen in Deutschland sind schrecklicher (more appalling), als Worte aussprechen können. Ich wüsste nicht, wo ich anfangen und wo ich enden sollte, wollte ich von ihnen reden.

In England scheint man also nicht der Ansicht zu sein, dass bei uns gerade der rechte Augenblick der vielleicht nie wiederkehrende Höhepunkt der künstlerischen Restaurierungsarbeit eingekehrt sei. Als einer der Gründe, warum das Heidelberger Schloss restauriert werden müsse, wurde, angegeben, dass wir jetzt bei einer Vollendung der Restaurierungskunst angelangt seien, wie sie wohl nie wieder erreicht werden könne. Man müsse Gott danken, dass er uns einen Mann wie Schäfer gegeben habe, der die prädestinierte Persönlichkeit innerhalb unserer begnadeten Zeit sei. Und nun das englische Urteil! Nun soll es lediglichrücksichtslose Eitelkeit unserer Zeit sein, dass sie sich für befähigt halte,im Geist aller früheren Jahrhunderte zu schaffen.

Cornelius Gurlitt in Dresden, dessen ArtikelEin englisches Urteil über deutsche Denkmalpflege (Berliner Tageblatt vom 11. Mai 1903) wir diese Anregungen entnehmen, schliesst mit den Worten:

Mir aber, der ich über die Künste unserer Restauratoren wenige, sehr wenige ausgenommen schon seit Jahren meine Bedenken öffentlich aussprach, wird man es nicht verargen können, dass ich auf das fremde, zur Einkehr mahnende Urteil hinweise. Denn hat Caroe nicht Recht, wenn er sagt, dass die alten Bauwerke durch die Stil­mätzchen der Restauratoren ihren geschichtlichen Charakter verlieren? Früher konnte man einem Bauwerke ansehen, ob es alt oder neu war.