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13. (5. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.
Jetzt sieht eine neu stilvoll im Geiste des 13. Jahrhunderts erbaute einer ebenso stilvoll restaurierten, wirklich aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirche in einer Weise ähnlich, dass selbst der Fachmann getäuscht wird. Die Stilisten sind glücklich, wenn ihnen selbst ein solcher auf den Leim geht, wenn kein Mensch mehr zu erkennen vermag, ob der Bau 1903 oder 1203 entstand, wenn es ihnen gelang, die sieben Jahrhunderte aus der Geschichte des Baues fortzumogeln. Wir aber, die Blamierten, sollen die Leute bewundern, die es fertig brachten, uns künstlerisch übers Ohr zu hauen! In dieser Tätigkeit sollen wir die „echte“, die „wahre“ Kunst erkennen!“
Bei uns ist bekanntlich der Kampf, ob zu restaurieren oder nur zu erhalten und wie dies geschehen, hinsichtlich der Heidelberger Schlossruine am lebhaftesten entbrannt und stehen sich hier die Ansichten unter den Architekten und unter den Altertumsforschern noch heut unvermittelt gegenüber.
Ich meine, dass diese Fragen nicht prinzipiell zu entscheiden sind. Wenn ich eine Kirchenruine gut erhalten kann, indem ich sie in einen Museumsbau um wandele, warum soll ich das nicht tun? Soll ich lieber das mit Einsturz drohende Mauerwerk zusammenfallen lassen? Ja! hat mir ein Fanatiker gesagt. Ich aber antworte: Nein und tausendmal nein und bin bei diesem Nein sicher, die Empfindung der Volksseele hinter mir zu haben.
Diese Übereiferer verschweigen gern, dass tausende und abertausende Beispiele von Bauten (Kirchen, Rathäusern, Wehrbauten u. dgl.) existieren, welche bereits die Baukünstler des Mittelalters aus dem Römischen ins Romanische, aus dem Romanischen ins Gotische, aus dem Gotischen in die Renaissance oder ins Barock direkt umgebaut haben unter Anpassung an die neuen Stilformen und an die neuen Benutzungsbedürfnisse, dass unsere Altvorderen mitunter aber auch ebenso Ergänzungen im früheren Stil, also z. B. romanische Ergänzungen eines romanischen Bauwerks in gotischen oder Renaissance-Zeiten, wo das Bauwerk zu seiner Erhaltung es bedurfte, vorgenommen haben. Warum sollen wir bei besseren technischen Hülfsmitteln und bei umfassenderer Baustilkunde nicht ein Gleiches wagen ?
XVIII. Unser Ausschussmitglied Herr Robert Mielke hat in der beifolgenden Nummer der „Weiten Welt“ vom 16. Oktober 1903 einen Aufsatz über deutsche und italienische Türklopfer (S. 262—266) veröffentlicht, den ich Ihrer Durchsicht empfehle. Die abgebildeten Exemplare aus Glockenguss oder Bronzeguss, teils dem Mittelalter, teils der Renaissance angehörig, sind Typen von hoher Vollendung.
XIX. Schloss Wiesenburg. Von Robert Mielke. Die Weite Welt vom 6. November 1903. 7 Abbildungen der unweit Belzig