13. (5. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres. 481
manchen schönen Fund verdankt, das Wächterhorn aus unserem Vorort Wandlitz, Kreis Nieder-Barnim, mitgebracht, welches dort auf dem Kirch- boden seit unvordenklicher Zeit unbeachtet gelegen hat. Herr Grunow lässt dahin gestellt, ob es als Gemeinde-Hirtenhorn gedient — das wäre an- gänglich, denn bei 1,17 mLänge und 10,5 cmDurchmesser des Sehallöffnungsrandes ist es des Stiers von Uri würdig*) — oder ob es als Feuerhorn diente und vom Turm geblasen wurde — dann wäre es zu einer Titelblattvignette in der rühmlich bekannten heimatfreundlichen Zeitschrift „Der Thürmer“ wohl geeignet.
Ich schlage vor: es mag beiden Zwecken gedient haben: als Feuerhorn und als Vielihorn.
Alt, recht alt ist das Stück, aber genau wie alt, lässt sich nicht sagen, da in Wandlitz darüber keine Tradition mehr vorhanden ist.
Das Horn ähnelt in der Tat einem der mächtigen Elefanten- stosszähne, aus denen sowohl in Afrika wie in Indien gewaltige Blasehörner für Festzüge, Kriegs- und Tempeldienst angefertigt werden. Auch bei uns hatte man früher ansehnliche, elfenbeinerne Blasehörner, wenn auch nicht so gewaltige wie die aus Nigritien oder von den heiligen Flüssen Vorder- und Hinter-Indiens. Daher nannte und nennt mau dergl. gewaltige Blasehörner Olifant, das ist im Grunde nichts anderes als Elefant. Am berühmtesten ist der Olifant des Paladins Karls des Grossen, des unsterblichen getreuen Rolands, auf dem er in der Sarazenenschlacht bei Roncesvalles im Todeskampfe blies, um seinen Herrn zu Hilfe herbeizuholen, was bekanntlich der Sage nach — denn nur um eine solche handelt es sich — zu spät geschah. In der Grösse des Wandlitzer Hornes hat man sich diesen Olifant Rolands zu denken, nicht so klein wie das Hifthorn unseres neuesten Rolands vom Kemperplatz. Das Blashorn, frz. Olifant, engl, bugle-liorn, lat. buccina, buccinatorium, cornu sufflatile, ist ein Zeichen des Oberbefehls oder der höheren Kriegsämter. Später werden die eigentlichen Olifants, gleich den Trinkhörnern, aus Ur- oder Wisent-Horn, auch als Reliquienbehälter benutzt. Zahlreich finden die Olifants sich noch in öffentlichen Sammlungen und Kirchenschätzen aus dem 10. bis 12. Jahrhundert. Zu den wertvollsten gehört das sogen. Jagdhorn Karls des Grossen, der Olifant im Münster zu Aachen, andere sind im Domschatz zu Prag, der Ambraser Sammlung in Wien, im Museum zu Gotha, zu Paris im Musee de Cluny u. s. f. Die grössten — ähnlich dem Wandlitzer — waren
*) Meine Frau macht mich darauf aufmerksam, dass i J. 1882, als wir in dem neuvorpommerschen Städtchen Lassan an der Peene waren, frühmorgens die Kühe der Ackerbürger mit gewaltigem Getute aus einem grossen Horn zusammengeblasen wurden, um auf die Weide zu gehen. Dasselbe geschah in den meisten kleineren Ackerstädten, die eine gemeinsame Weideberechtigung in den benachbarten Forsten hatten.
29 *