Heft 
(1903) 12
Seite
453
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Die Mäuse am Denkmal der h. Gertrud. 453

und so entstand die Vorstellung: dass die Toten die erste Nacht bei der h. Gertrud einkehren und schlafen.

Ob je ein Zusammenhang zwischen dem teils angenommenen, teils bestrittenen Glauben an die Verwandlung der Seelen in Mäuse und der Toten- oder Seelen-Herberge bei St. Geitrud vorausgesetzt wurde ? Nach meiner Meinung sind dies zwei getrennte Begriffe, die nur zufällig Zusammentreffen und nicht einmal so aneinander gereiht werden können, wie die vorhin erwähnten Ideenkreise,Nacht, Vernichtung und Tod undTod und Seele.

Folgen wir jenen Auseinandersetzungen, die den höheren Dämonen­glauben betreffen, innerhalb dessen sich u. A. Mimir, Ägir und Loki, sowie die Nornen und Valkyrien wechselnde Gestalten und Namen tragend bewegen, so sehen wir unsere fromme Äbtissin bei den Sclilachtvalkyrien angelangt. Diesezeigen noch vielfach ihre ursprüng­liche Gewitternatur. Sie reiten auf Rossen, die befruchtenden Thau und Hagel aus den Mähnen schütteln. Blitze gehen von ihnen aus. Die meisten [der Valkyrien] führen durchweg kriegerische Namen. Sie kommen zu den Helden, helfen dem Schützling in Sturm und Kampf und holen ihn zu Ross nach Valhall, wo sie ihm Wein darreichen und erdas Heer der Götter vermehrt. Zu ihnen gehört dem Namen und Wesen nach die zur Heiligen gewordene deutsche Gertrud. Als (solche) rettet sie den ihr ergebenen Ritter fürs Himmelreich dadurch, dass sie ihm mit ihrem llirtenstab erscheint und einen Becher Wein darreicht. Die Seele des Verstorbenen herbergt in der ersten Nacht bei ihr. (E. 11. M. 162f.)

(Flachsbau und Spinnen. Feld und Garten.)Frau Holle (Iluldra) segnet den Flachsbau; auch die weisse Frau heisst Flachsjungfer, breitet wie Frau Holle bei warmer Sonne Weizen und Flachs aus und pflanzt heilkräftige Kräuter im Frühling. (E. H. M. 278.) Da erkennen wir deutlich, wie die h. Gertrud die Erbschaft dieser mythischen Wesen angetreten hat.

Im Anhaitischen sagt man: wer zu Weihnachten spinnt, bekommt Ratten, Mäuse und Frösche ins Haus.*)

Wiederum ein launiges Zusammentreffen ist es, dass die Zwerg­maus eine staunenswerte Geschicklichkeit in der Textilkunst aufweist. Sie wird von Alfred Brehm eine Künstlerin genannt.Die Zwergmaus verfertigt Fäden (spinnt), flicht, filzt und webt.**)

Wie Mäuse etwa die Gärtnerei betreiben, oder vielmehr wie ihnen dies verwehrt wird, wissen wir,Tod ist auch hier die Losung. Viele

*) Oskar Hartung, Zur Volkskunde aus Anhalt. S. 429f. (Z. d. V. f. V. 1896.)

**) E. Friedei, Anfänge der Wehekunst. S. 134f. (Z. d. V. f. V. 1895.)