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Die Mäuse am Denkmal der h. Gertrud.
Mäusen aufgefressen. — (Eine solche Sage findet sich auch hei anderen Völkern. Immer liegt der Gedanke zu Grunde: die Mäuse als Rächer begangener Frevel anzusehen.*)
Im „Rheinischen Album“ von A. v. Stolterfoth (S. 38) lesen wir, wie es um Hatto’s Nachtruhe bestellt war.
„Als Mitternacht gekommen, Weckt ihn der alte Klang;
Es naget an der Tür wol,
Es pfeifet auf dem Gang.
Und mit Entsetzen sieht er Beim bleichen Lampenschein: Die Mäuse sind gekommen Auch durch den wilden Rhein.
Und wieder in die Seele Kommt ihm der Traum so schwer, Ihm ist's, als schwebten viele Gestalten um ihn her.
Sie kommen immer näher — Er kann sich retten nicht — Und schleudern schwarze Mäuse Ihm in das Angesicht.
Da fasst ihn finst'res Grausen Und banger Todesschmerz;
Gebrochen ist sein Auge,
Gebrochen ist sein Ilerz.
Der Polenkönig Popiel, der Brudermord begangen hatte, soll sich auch — ebenfalls auf der Flucht vor Mäusen — auf einer Insel einen Turm haben bauen lassen, um Frieden zu finden; und auch umsonst. Die Mäuse schwammen ihm nach, verfolgten und vernichteten ihn. — Ferner wird einem Grafen von Seelfeld nachgesagt: er habe während einer Hungersnot viele Arme zusammen einsperren lassen; und als die Gefangenen vor Hunger geschrieen hätten, habe auch er lächelnd gefragt: ob die Mäuse pfiffen. Sogleich ist eine Anzahl dieser Tiere gekommen, die ihn immerzu verfolgten, bis er auf eine Insel im Wörthsee flüchtete, wohiu die Mäuse aber gleichfalls gelangten, um ihn dann aufzufressen. Jener See wird auch der „Maussee“ genannt. (Fried- reich 428f.)
(Zum Schluss.) Einem zierlichen, harmlosen Mäuschen können wir (nach alledem) eine recht weitgehende und vielsagende Betrachtung widmen. Es wundert uns auch nicht, was Rückert in seinem Gedicht „Es war ein Mann im Syrerland“ von der schönen alten Sage erzählt; die schwarze und die weisse Maus sind uns ja gut bekannt. In diesen Stunden, da der Tag der Nacht weicht, wird die schwarze Maus gleich die weisse ablösen, um am Baum unseres Lebens ungehindert weiter zu nagen.
Viele Mäuse im Lande bedeuten fremde Völker und Krieg; und hat einem die Maus am Kleide genagt, so bedeutet es Unglück. In Wechselwirkung damit steht — denn das Dämonische sühnt auch das Dämonische — die Hülfe, die die Maus gewähren soll. Wenn ein Kind
■'l Meyer, Konv.-Lex. (1895.)