Heft 
(1903) 12
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Die Mäuse am Denkmal der h. Gertrud.

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kränkelt, soll inan ihm einen roten Faden mit einer Nadel durch die Haut ziehen und die Ärmste weiterlaufen lassen; die Maus muss umkommen, das Kind aber erholt sich und gedeiht. Ein als Amulet getragener Mauskopf erleichtert den Kindern das Zahnen. Und wer sein Zahnweh verlieren will, muss Brod essen, das eine Maus benagt hat. Der verbotene sog.Maustrank, welcher darin bestand, dass das Wasser, in welchem eine Maus gestorben war, getrunken wurde, soll gegen Zauberei und Hexerei schützen. Was die Behandlung des kranken Kindes anbelangt, so deutet Dauiner dies so: die Maus vertritt die Stelle des Kindes und wird statt dessen dem Verderben geweiht; es hat also den Anschein, dass dieser Volksgebrauch von einer Ceremonie herrührt, durch welche Kinder, die zum Opfertode bestimmt waren, hiervon befreit und an die Stelle derselben Mäuse geopfert wurden. (Friedreich a. a. 0.)

Im Braudenburgia-IIeft No. 12, VIII. Jahrg., finden wir eine Maurermedaille erwähnt, dieum den Hals einer eingemauerten Ratte hing, die im Kalk numiliziert war.

Welche Bedeutung mag jene Ratte gehabt haben, die dem Hohen- zollern-Museum abhanden kam? In den Zeitungen las man s. Z. von dem am lli. Febr. 1897 dort ausgeführten Diebstahl, bei dem auch ein alter, goldener Ring verschwand, der in graublauem Stein eine ein- gemeisselte Ratte zeigte.

Nebenbei sei bemerkt, dass man in China die FledermausRatte des Glücks nennt.*)

Ich kann mir nicht denken, dass mythologische, symbolische u. dgl. Überlieferungendie Jagd nach Ratten um Berlin befürworten. Die 1). Tagesztg. (3. Aug. 1897) meldet:Die Jagd nach Ratten wird im Treptower Park, wo sie zu einer wahren Plage geworden sind, von allerlei fragwürdigen Gestalten im umfassenden Masse ausgeübt. Das Fell findet ja schon längst in der Industrie verbreitete Verwendung; Leute, die es wissen müssen, behaupten aber auch, dass das Fleisch überaus wohlschmeckend sei. Die Befürchtung ist daher nicht ganz unbegründet, dass Rattenfleisch als Nahrungsmittel eingeschmuggelt wird. Es erscheint als notwendig, den Rattenfängern von Berlin um so schärfer auf die Finger zu sehen, als durch das Fleisch einer ver­gifteten Ratte grösstes Unheil angerichtet werden kann.

Spitzmäuse wurden ja bei den Römern auf die Tafel gebracht, nachdem man sie mit Kastanien uud Eicheln bestens angefüttert hatte.**) Dagegen droht Jesaja (66, 17) denen, die Mäuse verzehren: sie würden hinweggeraff't werden. Und im 3. Mos. 11,29 heisst es:Diese

*) M. Bartels, Zwei merkwürdige Kreaturen. S. 171 f. (Z. d. V. f. V. 1899.)

**) E. v. Kudriaffsky, Die historische Küche. 8. 02.