Heft 
(1903) 12
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14. (6. ordentliche) Versammlung des XII, Vereinsjahres.

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der Ästhetik geben, die diese Stätten vernichten oder einer neueren Um­gebung anpassen wollten. Im Gegenteil: der Verkehr und die Strassen- ästhetik sollten sich nach diesen Stätten richten! Die Mauer des Goethe- Gartens ist niemals eine Störung des Verkehrs in Weimar; durch den Park von Sanssouci darf niemals eine Eisenbahn geführt werden; Schloss Friedrichsrull darf niemals umgebaut werden, auch wenn einst die Hamburger Vorstadtvillen in seine nächste Nähe gerückt sein werden. Über alle praktischen Erwägungen müssen hier Gründe des Gefühls siegen, der Pietät, der Verehrung der Männer, die an der Spitze des deutschen Volkes gestanden haben.

Man errichtet heutzutage in Deutschland fast von Dorf zu Dorf das Marmorbild irgend eines bedeutenden Mannes, oft genug ein Marmorbild, das zu der geistigen Grösse oder der Individualität des Geehrten in schneidendem Widerspruch steht. Wäre es nicht besser, wenn deutsche Fürsten, deutsche Behörden und deutsche Mäcene den Eifer und das Geld, das sie wieder und wieder zur Errichtung schablonenhafter Denk­mäler spenden, der Erhaltung und Pflege der Stätten widmeten, an denen ein Goethe und Schiller, ein Bismarck und Wagner gelebt haben? Daun ehrten sie in einwandfreiester Weise das Andenken an unsere Grössten, dann könnten auch wohl im Keime schon die Stimmen erstickt werden, die die Beseitigung einer Mauer an Goethes Haus aus Verkehrsgründen fordern. Und auch die kleineren Städte Deutschlands, die so vielfach solche heiligen Stätten in sich schliessen, und aus denen wiederum so oft der RufLos von Berlin! undGegen die Zentralisation in Berlin! ertönt, gerade sie sollten sich die ernsteste Pflege ihrer Schätze zur höchsten Aufgabe machen. Erhalten sie sich damit doch eine Bedeutung und eine Kostbarkeit, die ihnen keine Grossstadt, kein Berlin rauben kann, auf die wir alle mit Stolz und Freude hinblicken, aber auch, wenn es sein muss, mit dem ernsten Mahnruf:Schützt die National­

heiligtümer.

Das sind verständige Worte, die recht eigentlich auch für die Piovinz Brandenburg und Berlin gelten.

VIII. Aus den Jugendjahren des Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg. Von Archivar Dr. Georg Schuster.

U.M. beschenkt uns wiederum mit einer vortrefflichen Veröffentlichung in dem überaus stattlichen Gewände desHohenzoller Jahrbuchs 1903 (S. 14215(1), welche sich diesmal mit dem charaktervollen zweiten brandenburgischen Kurfürsten beschäftigt, nachdem der Verfasser, erst kürzlich in den Monatsheften der Comenius-Gesellschaft Bd. XII den eigentlich zur Kurwürde berufenen älteren Bruder (ältesten Sohns des Burggrafen Friedrich VI.) Markgraf Johann und seine Beziehungen zur Alchymie und zum Humanismus (vergl. Brandenburg^ XII. 113) in lichtvoller Weise behandelt hat. Die Hand der Vorsehung, welche sicht-