Heft 
(1903) 12
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14. (6. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

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unabänderlichen Lebensgewohnheiten, dem Zwang der Verhältnisse er- giebt. Einem Pfarrer aus einem Dorfe bei Wittbrietzen ist es mit grosser Mühe gelungen, den Kindern das Kopftuch abzugewöhnen, um dem Lehrer die Kontrolle über die Reinhaltung des Kopfes zu ermög­lichen und das Haar der Frau, durch die wir die Schlalacher Haube erhalten haben, bietet einen abstossenden Anblick. Hiermit kann ich das wenig erfreuliche Thema wohl verlassen.

Herr Dr. Carl Bolle muss sich nicht ohne Bedauern der Richtigkeit dieser naturalistischen Darstellung für manche Fälle anschliessen. Er erinnert auch an die bekannteHnpatz genannte hohe Kopfhaube der Wendinnen, die schon vonHen kleinsten Mädchen im Spreewald getragen wird. Diese Tracht sieht hübsch und stattlich aus; sie hat aber auch sehr grosse Schattenseiten. Sie unterdrückt den Wuchs des Haares und macht dasselbe zottelig und unordentlich. Nimmt man den Hupatz ab, so sieht man darunter dies bestätigen die Mitglieder Willibald von Schulenburg, Ernst Friedei sowie Frau Clara Stricker oftmals einen sehr arg verwahrlosten Kopf. Diese weiblichen Personen bewegen sich dabei in einem kindlichen, falschen Zirkelschluss: sie be­decken das Haupthaar, weil der Kopf schmudelig und das Haar verfilzt ist. Aber gerade, weil sie das Haupt beständig bedecken, wird eben das Haar mehr und mehr verdorben, und die Reinlichkeit vernachlässigt.

Herr E. Friedel macht aber darauf aufmerksam, wie bei Be­trachtung der Zauch-Belziger Trachten, gerade das charakteristische sei, dass nur die verheirateten Frauen das Kopfhaar verhüllten; die Wendinnen flagegen verstecken, ob Frau oder Jungfrau, ob Witwe oder nicht, ob jung oder alt, alle miteinander das Haupthaar.

Herr Prof. Dr. Rawitz erwidert, nachdem noch verschiedene Beispiele vom Verstecken des Ehefrauen-Haupthaars angeführt sind, dass aus der heutigen Diskussion, die Hauptfrage, auf die es ankomme, aus welchen Gründen die betreffende Sitte gerade bei den Vermählten vor­herrsche, nicht genügend beantwortet sei.

Herr E. Friedei muss dem Vorredner recht geben; er vermute auch, dass diese Sitte viel tiefer liege und u. a. mit der weitverbreiteten Sitte der Hörigkeit der Frau, allerdings auch mit der Eifersucht der Männer Zusammenhänge.

Da eine Verständigung heut Abend nicht zu erzielen ist, schlägt Herr E. Friedei vor, die Diskussion, bei welcher aus dem Fläming- Problem ein interessantes ethnologisches und völkerpsychologisches Problem geworden sei, heut abzubrechen und nach geraumer Zeit wieder aufzunehmen, nachdem diejenigen Mitglieder und Freunde der Branden­burgs, welche sich mit dergleichen Fragen gern beschäftigen, noch gründlicher Material gesammelt und sich in die verschiedenen Gesichts­punkte, die heute angeregt worden sind, noch eingehender vertieft haben.