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Robert Mielke.
den neuen Vorstädten dringen jene verzerrten Baufassaden immer näher an das alte Potsdam heran, die wir als traurige Erzeugnisse unserer Zeit der Bauindustrie genügend kennen. Wenn nicht bald Wege gefunden werden, die Wirkungen des neuen Städteverunstaltungsgesetzes auf Potsdam auszudehnen, dann läßt sich mit Sicherheit Voraussagen, daß das königliche Potsdam eines Tages völlig verschwunden und daß sich zwischen den Schlössern eine neue Stadt breit machen wird, in deren Bild Unruhe und Unkunst die wesentlichen Züge bilden. Dem Andrängen des modernen Lebens können und wollen wir kein Halt gebieten; aber wir vermögen es in Bahnen zu leiten, die die Achtung vor dem Überlieferten, die Dankbarkeit gegen die königlichen und künstlerischen Wohltäter der Stadt vorgezeichnet haben.
Die Entwicklungsgeschichte der Stadt, die durch fürstliche Kunstliebe aus einem einfachen wendischen Fischerdorfe zu einer vielbewunderten königlichen Residenz emporgehoben worden ist, stellt sich in ihrem Gesamtbilde wie ein großes künstlerisches Vermächtnis dar, das zu hüten eine der ersten Aufgaben ihrer Bewohner sein sollte. Was allerdings die jüngste Bauentwicklung ankündigt, ist keineswegs angetan, uns mit Sicherheit für die Zukunft zu erfüllen. Der enge Zirkel persönlicher Interessen, die an und für sich menschlich begreiflich, hier aber dem großen Kunstinteresse entgegengestellt sind, hat es offenbar verhindert, die Bauentwicklung in überlieferter Weise weiter zu pflegen. Ja, er war, wenn man die Erscheinungen der letzten Jahre im Auge behält, geradezu vernichtend gegen den künstlerischen Allgemeinbesitz vorgegangen. Entlastend kommt allerdings in Betracht, daß man für diese Entwicklung weniger einzelne Personen als eine Zeit zur Rechenschaft ziehen muß, die nicht imstande war, einer plötzlich hereingebrochenen Bauflut gegenüber die Ruhe und Einsicht einer in Kunst und Handwerk traditionsfesten Generation zu bewahren. Überall, besonders in den großen und industriellen Städten, sind ähnliche Bausünden gemacht worden; nirgends aber treten sie so verletzend auf wie in Potsdam, dessen künstlerischer Charakter sich über ein Jahrhundert lang hatte bilden können. —
Im Jahre 1789 erschien bei Friedrich Nikolai in Berlin ein dreibändiges Werk, das der königliche Oberhofbaurat Heinrich Ludwig Manger über die Baugeschichte von Potsdam verfaßt hatte.*) Dieser Architekt — keiner von den Großen im Reiche der Berlin-Potsdamer Kunst — hatte von 1753 an bei der baukünstlerischen Entwicklung Potsdams mitgewirkt und war daher wohl in der Lage, einen erschöpfenden Bericht über das friderizianische Potsdam zu geben. Bei aller persönlichen Kritik spricht doch im ganzen eine unverhüllte Freude über die einzigartige Schöpfung seines Königs aus dem Werke. Auch sein Ver-
*) H. L. Manger, Baugeschichte von Potsdam. Berlin und Stettin 1789.